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Freudenberg: Mesmers Bedeutung für die Gegenwart.
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ques Aymars, trotz der gewichtigen Zeugnisse, die zu ihren Gunsten angeführt
werden können, doch nicht in dem Maße als beglaubigt angesehen
werden können, daß wir sie als sicher festgestellte Tatsache betrachten
dürfen.
Wenn es Wünschelrutengängern tatsächlich möglich ist, wenn
auch nicht immer, so doch in vielen Fällen Leichen zu finden, so muß
diese Gabe unbedingt in den Dienst der Kriminalistik gestellt werden.
Ich wäre der letzte, der dagegen etwas einwenden würde, etwa mit der
Begründung, daß derart mystische Methoden der Strafrechtspflege
nicht dienstbar gemacht werden dürften. Bezüglich der Verwendung
von Hellsehern zur Aufklärung von Verbrechen bin ich allerdings der
Meinung, daß nach dem heutigen Stand unseres Wissens Hellseher für
diesen Zweck nicht hinzugezogen werden dürfen1). Iiier liegt die
Sache aber insofern anders, als durch das Aufspüren von Leichen,
also von objektiven Spuren der Tat, die Tätigkeit der Organe der
Strafrechtspflege nur gefördert werden kann, dagegen nicht die Gefahr
besteht, daß durch etwaige Fehlversuche Unschuldige in Verdacht
gebracht werden. Entweder gelingt es dem Wünschelrutengänger, die
Leiche zu finden, oder es gelingt ihm nicht. In letzterem Falle ist
seine Tätigkeit für den Kriminalisten in dem betreffenden Fall ohne
jeden Belang. Gelingt aber die Auffindung des Leichnams, so ist ein
wichtiger Schritt getan, um das Verbrechen aufzuklären. Irgendein
besonderer Verdacht gegen eine bestimmte Person wird damit nicht
ausgesprochen; wenigstens ist die Sachlage in keiner Weise anders,
als wenn die Leiche durch einen Polizeihund oder auf eine sonstige
Weise an der betreffenden Stelle gefunden worden wäre. Es sollten
sich daher moderne Polizeibehörden nicht scheuen, sich dieses Mittels
zu bedienen, vorausgesetzt allerdings, daß erst noch anzustellende Versuche
ergeben, daß man tatsächlich mit einiger Wahrscheinlichkeit
auf Erfolg hoffen kann.
Mesmers Bedeutung für die Gegenwart.
Von Dr. med. Franz Freudenberg.
In „Dictionnaire de Psychologie" von Prof. Dr. Charles Richet,
Paris 1910, hat der Artikel „Hypnotismus und Mesmerismus" aus der
Feder des verstorbenen Prof. Ochorowicz eine Bearbeitung erfahren,
die bis jetzt der Aufmerksamkeit unserer Berichterstatter entgangen
ist. Sie enthält aber so Wertvolles über die wissenschaftliche Bedeutung
Mesmers. daß es sich wohl verlohnt, wenn auch aus Raummangel
in aller Kürze, einen wenigstens teilweisen Ueberblick darüber
zu geben.
„Vcrlachl von den ärztlichen Autoritäten," sagt Ochorowicz, „ignoriert
von den Philosophen, unverstanden vom großen Publikum, wur-
l) Genau auf demselben Standpunkt steht übrigens auch Tartaruga,
trotzdem er im Gegensatz zu mir Hellsehen als solches als schon erwiesen
ansieht. Vgl. seine Bücher Kriminal - Telepathie und -Retroskopie"
(Leipzig 1922) S. 186. „Aus dem Keiche der Hellsehwunder", S. 24, Anm.
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