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Tischner: Der Fall Erto
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Doch das nur nebenbei. Wir wollen uns wieder Erto zuwenden.
Denn so sehr die skeptischen Gegner die Nase rümpfen werden, der
Fall Erto ist in der Tat noch nicht erledigt, wenn man nicht in
unwissenschaftlicher Methodik alles in einen Topf wirft, anstatt in
vorsichtiger Analyse echtes vom unechten zu scheiden zu versuchen.
In der letzten Nummer der „Revue metapsychique" (Nr. 4, 1924,
Juli—August) erscheint eben ein posthumer Aufsatz von Geley, der
den zweiten Teil des Berichts über die Erloschen Phänomene bringt.
Es handelt sich um Hervorbringung von Lichteindrücken auf photographischen
Platten, die sich zum Teil in Kassetten oder Schachteln
in Ertos Nähe befanden oder in photographischen Apparaten. Geley
meint, es seien Erscheinungen, die durch Trick nicht nur unerklärt
seien, sondern ansciieinend auch unerklärlich. — Natürlich
wurden diese Platten nicht einfach vor Erto im Dunkeln hingelegt,
das hieße das Zutrauen der Forscher zu einem so verdächtigen
Medium denn doch überschätzen, es wurden vielmehr alle Vorsichtsmaßregeln
ergriffer, um eine direkte Einwirkung zu verhüten. Geley
kaufte selbst die Platten, legte sie selbst vorsichtig ein, versiegelte die
Schachteln und Kassetten mit eigenem Siegel und bewahrte sie bis zur
Sitzung in einem Geldschrank auf, trotzdem traten, wenn Erto sie im
Dunkeln kurze Zeit in der Hand gehalten hatte, bei der Entwicklung
Flecke auf, zum Teil helle und zum Teil dunkle; teilweise waren es
wolkenartige, teilweise scharfumrissene, kreisförmige oder strichförmige
Flecke. Weiter traten Fingerabdrücke auf, die an den Hautlinien als
solche des Mediums nachgewiesen wurden, obwohl das Medium abgesehen
von der Sitzung die Platten weder vorher noch nachher zur
Verfügung hatte. Und zwar waren diese Fingerabdrücke zum Teil
negativ, zum Teil positiv. Auch andere Herren brachten sorgfältig versiegelte
Kassetten und Schachteln mit, in die sie selbst die Platten
eingelegt hatten. Vcrgleichsplatten aus denselben Schachteln zeigten
keine Flecke. Abgesehen von diesen Spuren traten auf andern Platten
Flecke auf, als ob die Gelatine der tiitze ausgesetzt gewesen war,
sie war beulig und mit Sprüngen, ja sie war sogar geschmolzen.
Geley erörtert ausführlich alle in Betracht kommenden Betrugs-
möglichkeiien und kommt zu dem Ergebnis, daß keine die Erscheinungen
zureichend erklärt. Als solche führt er an, daß Erto in der
Dunkelheit die Kassetten und Schachteln erbrochen und direkt auf sie
eingewirkt habe. Geley meint, daß natürlich das Erbrechen der Siegel
leicht gewesen sei, aber es sei unter den Bedingungen unmöglich
gewesen, daß er die Siegel wieder hätte anbringen können, ohne daß
man davon etwas gemerkt hätte, denn wohl gemerkt, wenn auch der
Versuch in völliger Dunkelheit vor sich ging, stand er doch auch in
dieser Zeit in Kontrolle, er konnte also nicht etwa in ein anderes
Zimmer gegangen sein, um dort wieder ein Siegel anzubringen. Zudem
hatte er sicherlich nicht die Siegel der verschiedensten Experimentatoren
zur Verfügung, falls es ihm vielleicht auch möglich gewesen
sein sollte, Geleys Siegel sich zu verschaffen.
Auch das Vertauschen der Platten oder Kassetten vor oder während
der Sitzung ist nach Geley ausgeschlossen und man wird ihm
nach dem, was er mitteilt, wohl zustimmen müssen. Auch die Anwendung
irgendwelcher radioaktiver Substanzen wäre nicht imstande,
diese Phänomene zu erzeugen, denn dann könnte man höchstens Flecke
auf den Platten erwarten, aber nicht Fingerabdrücke des Mediums.
Ganz ähnliches trat auf, wenn die Platte sich im photographischen
Apparat befand, obgleich sowohl hinten die Kassette als auch
vorn das Objektiv mit Siegeln gegen heimliche Oeffnung gesichert war.
Geley schließt die Arbeit mit den Bemerkungen, daß bei dem
erwiesenen Betrug des Mediums man natürlich auch diese Produktionen
mit dem größten Mißtrauen ansehen müsse. Bestehe wirklich
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