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700 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 11. Heft. (November 1924.)
Vertreter dieser Art von Okkultismus zu nenrjen. Im Auslande sind
Richet, Morselli und Flournoy die wichtigsten Vertreter der animistischen
Auffassung.
2. Vor allem im Ausland wird auch von einer Reihe von Forschern
mit großer Entschiedenheit die spiritistische Hypothese vertreten
, aber nur für solche Fälle, wo nach eingehender Prüfung jede Möglichkeit
einer animistischen Deutung ausgeschlossen erscheint. Dabei
wird besonders die sogenannte telepathisch-spiritistische Hypothese, d. h.
die Anschauung, daß z. B. Spukphantome Verstorbener ebenso Wirkungen
der Traumphantasie Jenseitiger sind, wie solche Phantome in
Ausnahmefällen auch durch im Schlaf liegende, lebende Personen ausgesandt
werden können, vertreten. Karl Du Prel, Frederic Myers und
Ernest Bozzano sind Anhänger dieser telepathisch-spiritistischen Anschauung
. Die wissenschaftlichen Spiritisten lehnen mit großer Entschiedenheit
den unkritischen Offenbarungsspiiitismus eines Swedenborg oder
Allan Kardec mit seinen eingehenden Mitteilungen vom Jenseits, damit
auch die Anschauungsweise vieler spiritistischen Zi-kel ab. Großenteils
lehnen sie auch den kritischen Offenbarungsspiritismus eines Dr. Robert
Friese in seinen „Stimmen aus dem Reich der Geister" und heute eines
Ohlhaver mit seinem vorzüglichen Werk „Die Toten leben", ab. Fünf
Tatsachengebiete werden als Beweis der spiritistischen Hypothese angeführt
. 1. Ein Teil der mediumistischen Erscheinungen. 2. Ein Teil der
medialen Mitteilungen. 3. Das Phänomen der direkten Schrift (sogenannten
Geisterschrift). 4. Die Kreuzkorrespondenz. 5, Die meisten Spukerscheinungen
.
Die Hauptvertreter dieses kritischen Spiritismus in Deutschland sind
die Philosophen Lazar Hellenbach und Karl Du Prel, heute Rudolf Lambert
und Joseph Peter, in Rußland Alexander Aksakow, in England William
Crookes und heute Oliver Lodge, in Amerika William James und James
Hyslop, in Frankreich Camille Flammarion und Dr. Gustave Geley, in
Italien Cesare Lombroso.
3. Die konsequent zu Ende gedachte Weltanschauung des Spiritismus
ist die T h e o s o p h i e , wenigstens in der kritischen Form eines
Dr. Hübbe-Schleiden, wo vor allem vier Wahrheiten anerkannt werden:
a) Die Möglichkeit einer intuitiven Erkenntnis höherer Wahrheiten
durch eine Art von Hellsehen oder Erleuchtung.
b) Die Mehrteilung der Menschennatur, wobei gewöhnlich nach indischer
Art sieben Teile des menschlichen Wesens unterschieden werden:
1. Der Stoff leib. 2. Der Aetherkörper oder die den Körper organisierende
Kraft. 3. Der Astralkörper, der Träger der Empfindungen und Begierden,
zugleich das genaue Abbild des menschlichen Körpers und vermutlich
der geistige Leib der Jenseitigen. 4. Die tierische Astralseele, zugleich
die niedere Seite der menschlichen Seele. 5. Der Denkkörper oder das
höhere menschliche Selbstbewußtsein. 6. Buddhi, die uns unbewußte
Quelle der höheren künstlerischen und intellektuellen Inspiration und des
Gewissens, von Du Prel „Transzendentales Subjekt" genannt. 7. Atmah
oder das gleichsam über dem Menschen schwebende göttliche Selbst,
das ihn unbewußt mit der Gottheit verbindet, eine der experimentellen
Forschung nicht mehr zugängliche Seite der menschlichen Natur. Soviel
über die Siebenteilung der menschlichen Natur, die durch Durvilles und
Du Preis experimentelle Forschungen zum Teil bestätigt wird, während
die Theosophie, besonders die indische, sie durch Intuition erforscht zu
haben glaubt.
c) Die Wiederverkörperung oder Reinkarnation, eine Anschauung,
die durch de Rochas* Werk „Die aufeinanderfolgenden Leben", wie es
scheint, bestätigt wird. Dadurch erscheint der Mensch als ein ewiges,
von der Gottheit ausgehendes, und zu Gott zurückkehrendes Wesen.
d) Die der Theosophie mit dem Christentum gemeinsame Lehre von
der Pflicht inniger Gottes- und Nächstenliebe, verbunden mit dem Glau-
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