Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
51. Jahrgang.1924
Seite: 708
(PDF, 233 MB)
Bibliographische Information
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708 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 11. Heft. (November 1924.)

machen den Oberbewußtseinsinhalt aus. An den Grenzschichten zwischen
den beiden Bewußtseinszonen, der sogenannten Bewußtseinsschwelle
, findet nun ein fortgesetzter Austausch zwischen den beiden
Kategorien statt, doch können wie durch ein Schutzgitter nur Dinge
von einer gewissen Kleinheit hindurchpassieren. Wird jedoch dieses
Schutzgitter aus irgendwelchem Grunde defekt, so können größere
eratische Blöcke aus dem brodelnden Krater des Unterbewußtseins an
die Oberwelt geschleudert werden und dort u. a. Zerstörungen anrichten
. Diese Eindringlinge aus der Tiefenwelt der Psyche werden als
etwas Fremdartiges empfunden, als eine dämonische Macht, die aus
höllischen Bezirken von außen in das Innere eingebrochen zu sein
scheint. In Wirklichkeit ist aber die Hölle des mittelalterlichen Kirchenglaubens
nichts anderes als ein Symbol für das Unterbewußtsein.
Die Yoghalehre geht darin sogar noch weiter, für sip existiert das
Weltall nur im Innern der Seele, deren Bezirk Gott und Welt, Ich und
Du in sich faßt. Das ,/lat twam asi" („Das bist Du!") ist die reinste
und gesteigertste Ausdrucksform eines pantheistischen Idealismus.

Wenn ein losgelöster Komplex des Unterbewußtseins in das
Oberbewußtsein gelangt — und dieser Prozeß kann sowohl krankhafterweise
bei defektem Schutzgitter, als auch normaliter bei übermäßig
hohem Druck der unterbewußten Triebkräfte eintreten —, so
sprechen wir von einer Bewußtseinsspaltung, einer Schizophrenie. Diese
Bewußtseinsspaltung kann so stark sein, daß sie zur Persönhchkeits-
spaltung wird, daß neben das normale Ich ein neuer Ichkern tritt,
der so sehr als Fremdpersönlichkeit imponiert, daß man geradezu von
Besessenheit spricht. Dieser Vorgang ist uns ja aus der spiritistischen
Praxis gut bekannt. Ich will nicht darüber streiten, ob ebenso wie die
autosuggestive Besessenheit und wie die Besessenheit durch einen fremden
Menschen in der hypnotischen Bindung es auch eine Besessenheit durch
fremde körperlose Geister gibt. Dies läßt sich nicht beweisen und
nicht widerlegen; immerhin kann man in der Mehrzahl der Besessenheiten
spiritistischen Gepräges den Ursprung der Fremdpersönlichkeit
unschwer als schizophrenen Akt nachweisen oder zum mindesten vermuten
.

Was nun das Oberbewufctsein anbetrifft, so ist dieses natürlich
mehr als ein kümmerlicher Ausschnitt aus der erdrückenden Fülle
seelischen Geschehens. Es ist das höchste Produkt der seelischen
Entwicklung, des Triebes, sich zu vergeistigen, zu objektivieren, zu
individualisieren, es ist dasjenige, was den Menschen über das unterbewußt
lebende Tier erhebt, was den Erwachsenen vom Kinde, den
Kulturmenschen vom Wilden unterscheidet. Aber in der Steigerung
dieses vergeistigenden Prinzips liegt auch eine schwere Gefahr, und
zwar die Gefahr der Ueberschätzung der Verstandesfunktion, die in
heutiger Zeit zum krassen Materialismus und Rationalismus und zur
Vernachlässigung der irrationalen seelischen Momente und des Unterbewußten
, das eigentlich nur noch als Ursprungsort der Hysterie interessiert
, geführt hat.


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