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712 Psychische Studien. LI. Jahrgang. 11. Heft. (November 1924.)
der Kunst wie der Medialität, die uns die Betrachtung normalen künstlerischen
Schaffens niemals gewähren würde. Auf das Problem des
Genies wie das des Irrsinns, diese beiden Begriffe, die Lombroso so
schmählich verkoppelt hat, fällt von diesem Punkt aus helJes Licht; vor
allem aber auch für die Psychiater erhebt sich eine ernste Frage: Ist es
der Irrenheilkunde erlaubt, mit hochmütiger Ignorierung, die schon an
Ignoranz grenzt, wie bisher an den Problemen des Mediumismus und
Okkultismus vorüberzugehen? Durfte ein fundamentales Werk, wie
das von Prinzhorn, über die Bildnereien der Geisteskranken geschrieben
werden, ohne daß darin mit einem Worte der Kunst der
Medien Erwähnung getan wurde? Sollten nicht in den Irrenhäusern
vielleicht ungezählte Schizophrene sitzen, die nichts weiter sind, als
Medien, deren explosive mediale Entwicklung das Gefüge ihres Oberbewußtseins
zerstört hat? Betrachten wir uns doch einmal die Bildnereien
solcher Geisteskranken. In ihrer unvorbereiteten Entstehungsweise
, in ihrer oft hochentwickelten Technik, in ihren expressionistischen
Ausdrucksformen gleichen sie den Medialbildnereien wie ein Ei
dem andern, nur daß ihrten die Koordination und die Harmonie, die
Letztere auszeichnet, verlorengegangen ist. Und sollte es nicht denk-
bar sein, daß zahlreiche angebliche Sinnestäuschungen der Geistes-
kranken auf telepathischen Wahrnehmungen beruhen, die nur eine
eigenartige symbolische Umwandlung erfahren haben, die aber keineswegs
als echte Sinnestäuschungen anzusprechen sind?
Die Psychoanalyse des hysterischen Prozesses hat mehr Licht in
den Mechanismus seelischen Geschehens gebracht, als die ganze Psychologie
vergangener Jahrhunderte. Die Analyse des mediumistischen Vorganges
, für die ich seit Jahren immer und immer wieder eingetreten
bin, wird unser Blickfeld in einer noch viel grandioseren Weise bereichern
, und es ist schwer zu verstehen, warum die Psychoanalytiker
noch immer mit zugeknöpften Sinnen an dieser ungeheuren Fundgrube
des Wissens und der Erkenntnis vorübergehen.
Fassen wir die gewonnene Einsicht noch einmal in einen kurzen
Satz zusammen: Der medial-künstlerische Vorgang ist eine unterbewußte
Ausdrucksbewegung der Phantasie unter Ausschaltung des
Oberbewußtseins und läßt sich eher mit dem Wachstum einer Pflanze,
also mit vegetativen Akten, vergleichen, als mit dem bewußt künstlerischen
Schaffensprozeß.
Die „telepathischen Uebertragungsversuche" von Dr. med.
Carl Bruck.*)
Von Walther Kröner
Neuerdings hat ein Berliner Arzt, Dr. med. Carl Bruck, einer der
vorsichtigsten und kritischsten Vertreter der Parapsychologie, mein
geschätzter Mitarbeiter bei den Kontrollversuchen mit Frau Elisabeth
*) Dieser Bericht ist dem im Verlage Ullstein erscheinenden Werk
des Verfassers: „Telepathie und Hellsehen" entnommen.
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