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fassung, in diesen Sagen Niederschläge von animistischen Vorstellungen
zu sehen, schon längere Zeit abgekommen, und hat sich einer Beurteilung
der einzelnen Mythen zugewandt. In diesem Sinne sah H. Usener
in der Perseussagc den Niederschlag eines Sonnenkultus (Sintflutsagen
), wobei ihm auch Preller (Mythologie) beistimmt. Perseus ist
der Sonnengott, und seine Fahrt in der Truhe über die See ist als
der Aufgang des Lichtgottes aufzufassen. Diese Annahme wird von
E. Kuhnert (Roschers mytholog. Lexikon: Perseus) u. a. abgelehnt,
der sich wieder au die Gestalt des Helden selbst hält und inj ihm
etwas von der Ilerkulesnatur sieht, die auch in dem Gorgotöter stecke
(p. 2026). Eine ähnliche Entwicklung hat die Auffassung von Odysseus
durchgemacht, der nicht nur (Creuzer: Symbolik 33 173 A 5) als „Held
auf der Sonnen- und Jahresbahn" gedeutet wurde, sondern auch mit
Poseidon identifiziert und als sterbender Naturgott aufgefaßt wird
(E. Meyer: Geschichte des Altertums 2, 10/j, ^29). Hier bringt m. E.
die Auffassung Diels in dem genannten Vortrag einen wesentlichen
Fortschritt, der wieder auf die große Rolle hinweist, die die Unterweltsszenen
in der Odyssee einnehmen, obgleich die Necyia (Od.
XL Buch) heute nicht mehr als spätere Einlage aufgefaßt wird. Od.
ist nach ihm ein alter Totengott, dessen Reich der Westen war (Ithaca
galt als die westliche Insel Griechenlands) und bei dem vielleicht schon
der Name („ odvdaC&ai lal. odisse zürnen) auf diese ursprünglich!©
Funktion hinweist. Was die Gestalt desTheseus betrifft, so ergibt sich
bei seiner Beurteilung eine ähnliche Schwierigkeit wie bei der Perseussagc
, wozu noch kommt, daß seine «fxestalt zwei verschiedenen Sagenkreisen
(dem attischen und dem kretischen) angehört. So wurde er
ebenfalls als Naturdämon gedeutet (als sommerlicher Heros von Chr.
Petersen, Griech. Myth. p. 118, als solarisches Wesen von L. Stacke:
Fleckeisens Jahrbücher 73, 18 56 p. 780, als wesensgleich mit Poseidon
von Robert bei Preller Griech. Myth. 4i p. 577, Usener Ph. Museum 5,
1898 p. 356, Gruppe Myth. p. 583), aber sein Zug nach Kreta wird
auch als Gang in das Totenreich aufgefaßt (0. Wulff: Zur Theseussage,
Dorpat 1892 p. 112), wozu noch sein Beiname xd°vl0£ kommt, der
auch Poseidon als unterirdischem Gott und Hüter des Tartarus gegeben
wrurde. Aehnliche Erklärungsversuche sind schließlich auch auf
Jason angewandt worden: er ist der Dämon des Frühlings (Preller:
Griech. Mvth. 3 2, 318) oder ein Sonnenheros (A. Kuhn: Abh. der
Berl. Akad. 1873 p. i38ff.), während H. D. Müller (Mythologie der
griechischen Stämme 2, 2^0) den Namen von ialvco erregen ableitet
und auf das Umpflügen des Ackers deutet (Jason sät Drachenzähne),
wobei diese Vorstellungen mit dem Demeterkultus zusammengebracht
werden.
Wie zu ersehen ist, ist die Entwicklung der mythologischen Anschauungen
in allen diesen Fällen dahin gegangen, daß man von der
ursprünglichen Auffassung dieser Sagen als Seelensagen abkam, dafür
die vegetativ-astronomische setzte, die sich ebenfalls als unsicher erwies
und schließlich ganz auf Deutungen verzichtete und sich damit
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