http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1924/0754
So wird das Abenteuer mit den Sirenen, die eben dann die Form der
Seelenvögel annehmen, verständlich als Verlockung der Seele durch
die niederen Leidenschaften, und die Göttin Calypso, bei der der Held
sieben Jahre weilt, erscheint dann als Unter weltsgöttin, worauf auch
der Name und die Schilderung ihrer Wohnstätte hinweist. Wir begreifen
dann ferner den Parallelismus, der in zwei dieser Sagen vorliegt
: eine Zauberin (Medea, Ariadne) verhilft in der Argonauten- und
Theseussage dem Helden zum Gelingen seines Werkes, wird aber
schließlich von ihm verlassen. Auch auf die Herkulessage läßt sich
diese Auffassung ungezwungen anwenden, zumal deren Tendenz unverkennbar
ist und schon im Altertum zu der bekannten Erweiterung
durch Prodikos (Herkules am Scheidewege) geführt hat.
Man wird also zusammenfassend sagen dürfen, daß man es den
Vertretern dieser Auffassung der antiken Mythen nicht verdenken
kann, wenn sie angesichts der Tatsache, daß bisher alle Erklärungsversuche
versagt haben, nun ihrerseits ihre Auffassung zur Geltung zu
bringen suchen. Sie ist allerdings bis zu einem gewissen Grade schon
einmal in der Symbolik Creuzers u. a. dagewesen, konnte sich aber
nicht halten, da damals noch das falsch aufgefaßte Bild des Heilenen-
tums in der Altertumswissenschaft herrschend war, das in diesem Volke
nur die „lichtfrohen Hellenen" sah, ohne zu bedenken, daß daneben eine
Tradition einhergeht, die die tiefe Neigung dieses Volkes zur Mystik
zeigt und die erst wieder im Neuplatonismus zu einer späten Blüte
gelangt. Daß wir davon so wenig wissen, liegt darin begründet, daß
diese Ueberlieferungen eben geheim waren, und sie kamen daher
erst ans Tageslicht, als durch das Christentum (so wissen wir erst durch
die Kiichemäter etwas Genaueres von jenem Pantomimus in den eleu-
sinischen Mysterien) die Macht des antiken Geistes gebrochen war.
In diesem Sinne hat sich auch ein Späterer, Sallustius, geäußert: Man
könnte die ganze Welt einen Mythus nennen, der die Körper und
Dinge sichtbarlich, die Seelen und Geister verborgener Weise in sich
schließt. Würde allen die Wahrheit über die Götter gelehrt, so würden
sie die Unverständigen, weil sie sie nicht begreifen, gering schätzen,
die Tüchtigeren aber leicht nehmen, wird aber die Wahrheit in
mvthisohe^ Umhüllung gegeben, so ist sie vor Geringschätzung gesichert
und gewährt den Antrieb zum Philosophieren.
die Gnosis) mitten in dem Meere liegt, also im Meere der Materie, sowohl
der groben wie dei feinen. Man könnte also daran denken, daß auch den
griechiehen Sagen alte Astralmythen zugrunde liegen (Entwicklung der
Solarplexusmensehf*n; vgl. die Ausführungen Dr. Schwabs über den Sym-
pathieusmensehen), die von den Griechen aus dem Orient (Babylon?) übernommen
und dann den lokalen Verhältuissen entsprechend oder mit Benutzung
von lokalen Traditionen umgestaltet wurden.
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