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Schröder: Pseudo-Entlarvungen.
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falle der vorberichteten Phänomenik entspricht. Denn
jenes telepksüsche Gebilde war nur klein; in einem der anderen Fälle
reichte es vom Munde auf den Boden hinab! Die Bedingungen Hassen
sich leicht präzisieren, es mag in dieser Zeitschrift geschehen. Dieses An-
gebot halte ich auch gegenüber jedem anderen der Polemiker aufrecht!
Wenn Meyer jenen Nachweis zu erbringen vermag, gebe ich gern
zu, daß die Phänomenik auch betrügerisch gemacht werden kann, und
daß sein Standpunkt nicht gänzlich jeder Grundlage bar ist. Bis dahin
aber bleibt mein Urteil bestehen, daß Adolph F. Meyers vollkom-
mene Erfahrungslosigkeit auf dem Gebiete seines Urteils diesem nach-
gerade jede Berechtigung nimmt. Es liegt auch hier eine Verletzung
der Grundforderung jeglicher naturwissenschaftlichen
Kritik vor: die Kenntnis des Objektes fehlt!
Wenn ich nunmehr Herrn Landgerichtsdirektor Dr. Albert
II e 11 w i g (Potsdam) selbst in diese kritischen Ausführungen einbegreife
, so will ich die Polemiken Seeling-Hellwig-Sünner und Baerwald-
Hellwig-Moll nur nach ein paar lehrreichen Gesichtspunkten streifen,
obwohl mir ein sehr umfangieiches Material zum fraglichen „Dessauer
Fall" vorliegt. Zunächst bildet dieser „Fall" wiederum eine eindringliche
Warnung, Polemiken über ein umstrittenes
Wissenschaftsgebiet in der Tagespresse zu
führen, welche schon durch ihre Ueberschriften auf Sensation, aber
nichl auf Objektivität des Berichtes und hiernach des Urteils einstellt.
Mir ist der (2.) Dessauer Fall zuerst unter einer solchen Aufmachung
aus dem „Berliner Börsen-Courier" vom 1. April 1924 bekannt geworden
: ,.Durch ein Medium entlarvte Mörder. Ein sensationelles Experiment
in Dessau." Uebertreibungen, Mißverständnisse und Unkenntnis
der Phänomenologie vereinigten sich zu einem vom „wissenschaftlichen
Okkultismus" bestimmt in keiner Weise tragbaren Feuilleton-Artikel.
Nun hatte AlbertHellwig bereits im Februar ds. Js. im Berliner
„8 Uhr-Abendblatt" (Nr. 26 und 39) ein paar Artikel veröffentlicht
: „Ist Verbrechens-Aufklärung durch ,Hellseher möglich?", welche
sich durchaus ablehnend gegen eine solche Möglichkeit aussprachen.
So war natürlich der Boden für eine H e 11 w i g sehe Entgegnung auf
den „Courier"-Artikel vorbereitet, die als „Moderne Erinnyen" in der
„Berliner Börsen-Zeitung" (Unterhaltungsbeilage) vom 12. April 1924
auch erschien. Leider schoß diese Kritik über die Grenzen der Sachlichkeit
durchaus hinaus, indem sie S e e 1 i n g s als eines Berliner Rektors
Qualifikation als „Psychologen" bestritt und sich diesem „sog. Kriminal-
Telepathen" gegenüber z.B. auch auf ein Urteil M o 11 s berief, nach dem
6 e e 1 i n g „alle wissenschaftlichen Grundlagen für die praktische Ausübung
hypnotischer Experimente" abgesprochen wurden. Es steht durchaus
außerhalb der guten, durch ihre Selbstverständlichkeit festgewurzelten
, wissenschaftlichen Gepflogenheiten, ein solches Urteil. obendrein ohne
jegliche Begründung, in der Tagespresse zu veröffentlichen, um so mehr,
als Hellwig in keiner Weise persönlich angegriffen und der Rektor
Otto Seeling nicht, wie die Polemik voraussetzen ließ, für jene
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