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738 Psychische Studien. L.I Jahrgang. 12. Heft. (Dez. 1924.)
Pressereklame zum Dessauer Fall verantwortlich war. Abgesehen davon,
daß auch ich dieses Urteil Moll-Hellwigs auf Grund mehrfacher Besuche
von Experimental-Vorträgen, welche Otto S e e 1 i n g in Verbindung
mit dem Nervenarzt Dr. von Rutkowski gehalten hat, als vollkommen
abwegig bezeichnen muß, hat S e e I i n g alsdann an gleicher Stelle
am a5. April 19*?4 eine zehn Punkle umfassende Berichtigung der
H eil w i gsehen Ausführungen erscheinen lassen.
Albert II eil w ig gibt daraufhin selbst gegenüber dem von ihm
„hochverehrten Herrn Rektor" unter dem 8. Mai 192I zu, daß nicht
Seeling „den Bericht in die Presse gebracht hätte", wie Hell wig
„früher angenommen" hatte: und wie er schon seine ersten Ausführungen
vom 1*2. April 193 4 mit dem Hervorheben, daß ein endgültiges Ur-
teil nicht abgegeben werden solle, schließt, teilt II e 11 w i g zugleich mit.
daß „nach einer Mitteilung des Oberstaatsanwalts" an ihn „der Verdacht'4
gegen die des Mordes Beschuldigten „keineswegs beseitigt" sei, daß ,,eine
Ueberführung" aber „kaum möglich sein werde"!
Trotz dieser zugegebenen Ungeklärtheit des
Sachverhaltes, von der rein phänomenalen Seite
ganzabgesehen,hatHellwigalsdanneinewahreFlut
vonArtikelnin allen möglichen Zeitschriften erscheinen lassen, so,
nach mir Vorliegendem, im „Kosmos", in der „Polizei", in der „Medizinischen
Klinik", in den „Psychischen Studien", und zwar überall im
Sinne der ersten Polemik, und ohne daß S eeling die Gerechtigkeit
der von II eil w i g selbst unter dem 8. Mai 1924 anerkannten Tatsachen
widerfahren wäre. Und obwohl hierzu ein weiterer starker Anlaß durch
einen mit „Dr. H. W." — wer ist dieser „Dr. H. W."? — unterzeichneten
Artikel in der Fleischer-Verbands-Zeitung" vom 26. April
1934 gegeben war, in welchem unter: „Wie man zum Mörder wird. Sechs
Monate Untersuchungshaft um nichts", ,,der bekannte ,Hellseher' Professor
Seeling" für diese Schuld beansprucht wurde, unter Bezugnahme
auf H e 11 w i g sehe Auffassungen.
Im Hinblick auf die sonstige Rührigkeit Albeit Hellwigs in
bezug auf Presseartikel nimmt es gewiß Wunder, daß H e 1 i w i g zu diesen
Ausführungen nicht auf Grund der Mitteilung des
Oberstaatsanwaltes an ihn zugunsten Seelings Stellung
genommen hat. Es ist aber diesem vorbehalten geblieben, selbst an gleicher
Stelle am 5. Juli 192 f\ seine Rechtfertigung auf diese haltlosen Angriffe
zu geben. Gegen den Hellwigschen A-rtikel in der „Medizinischen
Klinik" hatte übrigens Paul Sünner eine Einsendung an die
Schriftleitung gerichtet, deren Aufnahme abgelehnt wurde, da es „sich
ja nur um verschiedene Auffassung handle, die in der Wochenschrift
zu diskutieren ... keine Veranlassung vorliege". Eine höchst anmerkliche
Auffassung von wissenschaftlicher Objektivität seitens eines Dr.
Walter Wolff (Brief vom 25. Juli 1924). der damals gerade den
Herausgeber vorübergehend vertrat!
Man sollte nun denken, daß der „Dessauer Fall" derart zu hinreichend
unerfreulichen, völlig subjektiven Auswirkungen gelangt sei,
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