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Ludwig: Phantom eines Lebenden oder Verstorbenen. 765
Forstleute bei ihrem Besuch 1909 ihre Erlebnisse. Als 1916 Obersekretar
M. dies Zimmer als Gast bewohnte, fragte er eines morgens den Hausherrn
, seinen Freund, ob er denn nachts in diesem Zimmer gewesen sei.
Auf die verneinende Antwort erwiderte er, es sei nachts gegen 1 Uhr die
Tür aufgegangen und es sei dann gewesen, wie wenn ein grauer Schleier
durchs Zimmer getragen würde. Er verspürte kalten Luftzug, so daß er
aufstand, um Tür und Fenster zu schließen, fand aber beide geschlossen
. Das gleiche Ereignis hatte derselbe Gast zu Ostern 1919. Auch eine
Dame, die von dem Spuk nichts wußte, hatte um diese Zeit dort eine
Schreckensnacht. Außer den Genannten erlebten den Spuk noch mehrere
andere Personen, auf deren Aussage aber der Hausherr deshalb weniger
Gewicht legte, weil sie von den Vorkommnissen gewußt hatten und daher
als voreingenommen gelten könnten.
In dem Hausherrn selbst, den ich im August 1923 in seiner Villa
besuchte, fand ich, ebenso wie in seiner Haushälterin durchaus gesunde,
nüchterne Personen. Eisterer hatte noch nichts erlebt, wagte die Glaubwürdigkeit
jener Zeugen zwar nicht anzuzweifeln, wußte aber nicht,
wie er sich zu dieser Sache stellen sollte. Ich riet ihm, doch selbst einmal
oder öfter in jenem Zimmer zu schlafen. Da erhielt ich von ihm,
am r8. Oktober 1924 folgendes Schreiben:
„Nun habe ich, nachdem ich 17 Jahre das Haus bewohne, .zum
erstenmal auch erlebt, was so vielen anderen widerfuhr; ich, ein Saulus
und Thomas in solchen Dingen und ein Mensch, geistig und körperlich
zu gesund, um eine solche Erscheinung zu haben. Ich legte mich am
10. Juli abends 1/210 Uhr zu Bett und schlief bald ein. Plötzlich überkam
mich ein sonderbares Angstgefühl f ich hörte 3/411 Uhr schlagen, fühlte
Kälte irn Zimmer, sah eine Lichtwelle und wie urplötzlich die bekannte
Gestalt, eine schöne, große, lichtvolle Frauengestalt, am Fußende meines
Bettes sich über mich neigte und zuerst die Hände über meine Knie
breitete (ich fühlte fast körperlich den Druck) und dann über die Brust.
Einer Bewegung unfähig, rief ich im ersten Schrecken „Jesus", dann
lag ich wie gelähmt da, bis auf einmal die Gestalt sich in graues Nebelgebilde
auflöste. Am Dienstag, den i5. Juli, legte ich mich wieder zur
gewohnten Zeit zu Bett, unbeeinflußt von irgendeiner Aufregung, als
um 3/4n Uhr an der Wand" das schöne Haupt mit langwallendem Haar
erschien. Ich war vollständig bei Bewußtsein, riß mich in die Höhe, und
vorüber war alles. Am Freitag, den 18, Juli, nachts 3/411 Uhr, merkte
ich das Gehen der Zimmertüre und die sonderbare Luftbewegung. Mit
einem Sprung war ich aus dem Bett, und vorüber war es. Ein Nachbargeistlicher
las für die, wie es scheint, nicht zu ihrer Ruhe gekommene
Seele die Heilige Messe, und seither ist es ruhig/'
Soweit der Bericht. An der Glaubwürdigkeit des mir und einem
hier wohnenden sehr angesehenen Manne wohlbekannten Berichterstatters
habe ich nicht den geringsten Zweifel. Es fragt sieb nun, erklärt
sich die Erscheinung animistisch? Haben wir in ihr eine telepathische
Halluzination zu sehen? Wir müßten dann annehmen, daß in der Nähe
jener Villa eine medial veranlagte Person wohnt, die bei den jeweiligen
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