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766 Psychische Studien. 51. Jahrgang. 12. Heft. (Dez. 1924.)
Bewohnern jenes Zimmers eine veridike telepathische Halluzination
hervorbringt. Nun ist jenes Dörfchen nur von einfachen Bauersleuten
bewohnt. Welchen Anlaß kann das evtl. Medium haben, 17 Jahre lang
(und vielleicht noch länger, über die Erfahrungen des früheren Bewohners
konnte der jetzige Besitzer nichts aussagen) derart telepathisch
gerade nur auf dieses eine Haus des Dorfes zu wirken? Warum erfuhren
nicht auch andere Dorfbewohner seine telepathischen optischen Wirkungen
? Und weshalb kapriziert sich das Interesse des Mediums gerade
auf das eine Zimmer? Weiter ist zu beachten, daß offenbar das Phantom
von einer präsenten Intelligenz geleitet wird, da es auf alle eintretenden
Eventualitäten sofort zweckvoll reagiert. Daß eine Heilige Messe gelesen
wurde, davon war im Dorfe nichts bekanntgewoiden, und doch trat
daraufhin eine bis jetzt anhaltende Ruhe ein. Diese beiden letztem*
Gründe scheinen mir auch die Hypothese von einem psychophysischen
Niederschlag an den Wänden und Gegenständen des Zimmers auszuschließen
, ganz abgesehen von der großen UnWahrscheinlichkeit, daß
so viele Personen fähig gewesen sein sollen, davon derart beeindruckt
zu werden, daß sie ganze Szenen erlebten. Und wie typisch ist der kalte
Luftzug! Deshalb möchte ich eher die Hypothese des Monoideismus zur
Erklärung heranziehen, daß die Gedanken und Gefühle eines Verstorbenen
gerade von der lebhaftesten Erinnerung an diese ganz bestimmte
Lokalität nicht loskommen können, wohl weil sich hier einst etwas
ereignet hat, das die Psyche der Erscheinenden zu tiefst aufgeregt hat.
Nicht ausgeschlossen is/auch die Möglichkeit, daß die Erschlnung auf
sich aufmerksam machen wollte und die helfende Fürbitte der Lebenden
zu gewinnen trachtete. Leider wagte keiner der Gäste sie anzureden. Wir
lesen bei Justinus Kerner, Fr . Meyer, der Seherin von Prevorst, die
aüe als Protestanten das Dogma vom Purgatorium (Läuterungszustand)
nicht anerkannten, doch gutbeglaubigte Vorkommnisse ähnlicher Art, auf
Grund deren sie, wie auch z. B. der Philosoph Sendling, dennoch eine
Art Zwischenzustand nach dem Tode anzunehmen sich gezwungen sahen.
Akzeptiert man aber die monoideistische Hypothese, dann müßte man in
unserem Falle noch annehmen, daß es sich nicht um ein unbewußtes,
traumhaftes Handeln der Verstorbenen handelt, sondern um ein bewußtes
. Sie weiß, daß nun Personen in diesem Zimmer anwesend sind,
auf die nun gewirkt werden soll, und es muß eine irgendwie beschaffene
reale Präsenz angenommen werden, weil sich die Erscheinung bewußt
und überlegt den jeweiligen Aktionen der Lebenden sofort anpaßl.
In Sachen Hellwig.
Von Dr. med. Paul Sünner.
Zu unserem Bedauern sind wir genötigt, einige Ausführungen /u
machen gegen einen Herrn, dem wir noch im letzten Heft dieser Zeitschrift
Gastrecht gewährten. Es handelt sich um Herrn Landgerichts-
direktor Dr. Hellwig in Potsdam. Dessen im Nov. veröffentlichter
Aufsatz „Wünschelrute und Kriminalistik" war schon vor mehreren
Monaten wegen seiner im allgemeinen sachlichen Abfassung ange-
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