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Stinner: In Sachen Hellwig
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nommen worden. Daß Aufsätze solcher Mentalität immerhin eine
große Seltenheit bei Herrn Heliwig sind, müssen wir zu unserem Leidwesen
feststellen. Schon öfters haben wir Gelegenheit gehabt, Herrn
Hellwig in dieser Zeitschrift zu erwähnen, und die Leser erinnern sich
wohl der betr. Stellen aus den Heften im Mai, Juni und August, die
sich an einen Fall von angeblichem kriminalistischem Hellsehen in
Dessau anschlössen. Meine Stellungnahme gegenüber Herrn Hellwig
ist den Lesern noch in Erinnerung, ebenso meine schließliche loyale
Bereitwilligkeit, auch seinem Standpunkt gerecht zu werden. Aus eben
diesem Grunde erschien denn auch sein Beitrag im letzten Heft.
Unterdessen hat sich ergeben, daß unsere Forschung am besten
tut, einen scharfen Trennungsstrich in Zukunft zu ziehen gegen einen
Herrn, dessen ungeheuer reichhaltige, unaufhörlich plätschernde Produktion
in Zeitschriften und Tagesblättern in umgekehrtem Verhältnis
steht zu dem positiven Wissen, das ihm auf dem Gebiet def Rara-
psychologie eignet.
Schon immer mußte man sich bei der Lektüre der Ergüsse seiner
munter fließenden Feder die Frage vorlegen, wie ein Mann es über
sich zu bringen vermag, ohne über eigene, den Rahmen „aktenmäßiger
Nachprüfung" überschreitende Erfahrungen zu verfügen, rein destruktiv
, oder wie er selbst es nannte, „kritisch" sich zu einem so ungeheuer
wichtigen Problemgebiet bald hier, bald da vernehmen zu lassen. Es
ist ja nicht von der Hand zu weisen, auf so leichte und bequeme,
durch Unterstreichung von Rang und Würden bei den Journalen zu
ermöglichende Manier sich eine hübsche Nebeneinnahme zu verschaffen
; und daß ihm, der eich brüstet, im Namen der Wissenschaft zu
reden und zu schreiben, der materielle Standpunkt nicht ganz fern
liegt, beweist zur Genüge der Umstand, daß er in einem früheren,
Briefe an mich unaufgefordert die Erlaubnis zum „Nachdruck" eines
Zeitungsartikels, auf den ich im übrigen nicht sonderlichen Wert
legte, nur gegen einen bestimmten Reichsmarkbetrag zu erteilen sich
bereiterklärte. Dies nebenbei?
Man sollte nun meinen, daß ein Mann wie Herr Hellwig ein
Freund der unbedingten Wahrheitsliebe sei und der sog, weißen Weste
nicht nur bei anderen, sondern auch bei sich selber, wenn er in Briefen
an mich und Herrn Rektor Seeling schon vor längerer Zeit
immer geneigt war, dem Gegner „irreführende Berichtigung" zu unterstellen
, und wenn er in einem Briefe vom 24. Juni an den Letztgenannten
anläßlich der Veröffentlichung im Juniheft in bezug auf imeh
von einer „bewußten Entstellung der Wahrheit", von „einem ihm (d. h.
mir, dem Verf.) vielleicht genial vorkommenden taktischen Manöver"
schrieb, von einem Manöver, „um einen unbequemen Gegner unschädlich
zu machen, das in Wirklichkeit allerdings geeignet ist, ihm selbst
(d .h. also mir, dem Verf. ds.) das Genick zu brechen!" Nach dieser
Lieblichkeit leistet er sich dann noch den fulminanten, ebenfalls auf
mich zu beziehenden Satz: Wer nicht das unbedingte Streben
zur Ehrlichkeit und Wahrheit um jeden Preis
hat, der muß aus der wissenschaftlichen Arena mit
Schimpf und Schande ausscheide n."
Unter Benutzung dieses Rezeptes und dieser Forderung eines vor
dem Tempel der unbefleckten Wissenschaft stehenden Zionswächters
wollen wir nunmehr einmal unser Redaktionsarchiv befragen, wfe
es denn damit bei Herrn Hellwig bestellt ist.
Im Augustheft der Ps. St. schreibt Herr Hellwig unter: „Moderne
Erinnyen" folgendes: „Versuche, die in Gegenwart des Berliner
Nervenarztes Dr. v. Rutkowski angestellt wrurden, u. a. auch mit dem
in Dessau benutzten Medium, verliefen negati v". Er meint
damit Versuche, mit mehreren Berliner Medien, darunter einem
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