http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1925/0015
Driesch: Die metapsych. Phänomene im Rahmen der Biologie. 11
„urteile", ,»wolle", und wenn wir vom Boden der Logik auf den der
Metaphysik hinübertreten, dürfen wir sogar das „Als ob" streichen.
Doch müssen wir auch hier vorsichtig sein, denn so wie unser
Wissen und Wollen wäre das ihre sicherlich nicht beschaffen. Das unsere
mag „sekundär" heißen ; es ruht auf Lernen, auf Erfahrung. Wollen
und Wissen der Entelechie aber ist „primär", ist ab origine vollendet.
Mit Instinkt, nicht aber eigentlich mit Intelligenz mag daher die quasipsychische
Entelechie verglichen sein.
Daß die Lebensvorgänge „teleologisch" zu beurteilen seien, geben
selbst solche zu, die auf dem Boden des Mechanismus stehen. Es gibt
nämlich neben der vitalistischen, „dynamischen" Teleologie, welche wir
vertreten, auch eine statische, eine auf den Begriff der Präformalion,
der „Maschine" gegründete, welche wir oben als unmöglich erwiesen
haben. Aber „Teleologie" im weitesten Sinne ist auch sie; sie wird
meist auf irgendeine d eistische Auffassung des Universums, auf die
Annahme eines „W eltmaschinenerbauers" zurückgehen.
Ich selbst möchte nun, im Anfange wenigstens, die Verwendung des
Wortes „Teleologie" auf biologischem Boden am liebsten vermeiden;
in einer kritischen Metaphysik mag man es verwenden; in der Logik
tue man es nicht, denn es ist allzu anthropomorph, es suggeriert gar zu
sehr Aehnlichkeit zu unserem, zu „meinem" bewußten Wissen und
Wollen und Handeln. Und so etwas liegt eben nicht vor.
b) Man unterstelle die biologische Kausalität dem Begriffe der
Ganzheit, einem irreduziblen,-undefinierbaren Begriff, welcher aber
der Grundbegriff aller Biologie sein muß, denn ohne ihn ist der! Organismus
nicht einmal deskriptiv zu erfassen. Alsdann rede man von
ganzmachender, individualisierender, totalisi er ender Kausalität,
als dem Gegenstück zur summenhaften mechanischen.
Es ist eine der wichtigsten Aufgaben der Philosophie des Organischen
, zu zeigen, daß „ganzmachende Kausalität" ein legitimer Begriff
ist. Er ist es, wie sich zeigen läßt, denn der Begriff der Kausalität fordert
nur, daß jedes Geschehen als Wirkung gefaßt, daß zu ihm ein
zureichender Grund im Werden und Sein der Natur gesucht werde, sagt
aber apriori gar nichts aus über die Natur dieses Grundes. Er rnag
mechanisch sein, er mag es aber auch nicht sein! Und der Begriff
„Ganzheit" ist ebenfalls legitim, ist, um einmal mit Kant zu
reden, der seltsamerweise diesen Begriff übersehen hat, ein „Stammbegriff
des reinen Verstandes", eine echte Kategorie, sogar eine Ur-
kategorie.
2. Die W irkungsweise der Entelechie.
a) Eine zweite sehr wichtige Frage ist nun die, wie denn Entelechie
als ganzmachender Naturfaktor wirke. Sie tritt ja doch mit den
material-mechanischen Faktoren, den Zentralkräften der Materie, in
Wechselspiel, und die Frage, wie solches denn gedacht werden könne,
muß von jedem vitalistischen System beantwortet werden.
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