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Driesch: Die metapsych. Phänomene im Rahmen der Biologie. 13
Endlich die Suspensionstheorie. Diese im Jahre 1907
von mir ersonnene Lehre rettet nicht nur den Satz von der Erhaltung
der Energie, sondern auch den sog. „Satz des Geschehens'4 Ostwalds,
welcher dem Carnotschen Prinzip verwandt, aber allgemeiner ist und
besagt, daß, etwa embryologisch, alle Möglichkeiten des Geschehens
materiell vorgebildet seien, indem eine ungeheure Zahl
von Potentialdifferenzen, chemischer und aggregativer Art, im Ei und
seinen Derivaten besteht. Entelechie „suspendiert44 den Ausgleich
dieser Differenzen, suspendiert also Geschehen, und läßt, durch Aufheben
der Suspension, Geschehen nur da zu, wo es, kurz gesagt, dem
Plane entspricht. Diese Theorie erklärt besonders gut die Differenzierung
harmonisch-äquipotentieller Systeme *).
Welche Theorie und ob überhaupt eine der drei Theorien richtig
ist, wissen wir nicht und werden wir wohl nie wissen, da wir nicht
über wissenschaftliche Mittel verfügen, das objektiv Geistige bis ins
einzelne zu analysieren. Nur wo Materielles in Frage steht, also angesichts
der Mannigfaltigkeiten im Raum, kann menschliche Analyse in
der Welt der Objekte mit Sicherheit bis zum Letzten gehen. Denkbar
ist es natürlich auch, daß Entelechie der Materie Impulse erteilt; aber
diese Hypothese wird man, wie wir ausführten, nur dann aufstellen,
wenn alle übrigen ausdrücklich versagen, denn sie verletzt ja das Prinzip
von der Energieerhaltung, welches so lange als möglich zu retten
methodologische Richtschnur sein muß.
IV. Die metapsychisctben Phänomene und der
Vitalismus.
a) Die Darstellung meiner vitalistischen Theorie ist hiermit in
ihren wesentlichen Grundzügen beendet, und ich will den Schluß dieses
Aufsatzes daher dazu benutzen, einen engeren Kontakt zwischen den,
normal-biologischen Phänomenen und den physischen Phänomenen aus
dem Gebiet der Metapsychologie herzustellen.
Der reine Mechanismus, so wissen wir jetzt, ist schon durchbrochen
auf dem Felde des normalen, alltäglichen, allbekannten organischen
Lebens. Schon hier wird "Materie sozusagen kontrolliert von etwas,
was selbst nicht materiell ist, sondern aus derselben letzten Quelle
stammt, aus der unser Geist, unser Bewußtsein herkommt, ohne darum
mit unserem Geist identisch, ja ohne in dem uns allein bekannten Sinne
des Wortes „bewußt" zu sein.
Dieses Nichtmaterielle ordnet die Materie; nicht „schafft44 es
sie, ja nicht einmal, so meinen wir, gibt es ihr Bewegungsimpulse.
Erörtern wir nun zunächst einmal die Frage: Was geschieht denn
eigentlich in letzter Instanz im Rahmen der objektiven Welt, wenn
metapsychisch bedingte Gestalten, Hände, Füße, Gesichter, auftreten.
Wird hier Materie „geschaffen44? Wird die Summe der bestehen-
*) Vgl. für alle diese Theorien meine Phil, des Org\, Deutsche zweite
Aufl., S. 421 bis 480.
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