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94 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 2. Heft. (Februar 1925.)
Offener Brief an Herrn Prof. Dr. Chr. Schröder.
Berlin, den 22. November 1924.
Hochzuverehrender Herr Gymnasialprofessor!
Sie haben mir die Auszeichnung erwiesen, sich mit meiner Stellung
zum Okkultismus und überhaupt mit meiner Person eingehend zu beschäftigen
. Wenn ich darauf zu erwidern mir die Freiheit nehme, so
geschieht das mit dem Bewußtsein, daß ich nicht so ausführlich sein
kann, wie Sie es gewesen sind, denn, um mit Bismarck zu reden: ,,Ich
fühle mich der anspruchsvollen Fruchtbarkeit Ihrer Feder nicht gewachsen
." Selbst auf so reizvolle Einzelheiten wie die, daß Sie die Prager
Zeitung „Bohemia" in einem dicht neben meiner Wohnung gelegenen
Cafehaus fanden, gehe ich nicht ein, obgleich Sie vielleicht auch darin
eine geheime Schuld von mir wittern, und ich bin darauf gefaßt, daß
Sie alles im folgenden nicht Widerlegte triumphierend als zugestanden
behandeln werden. Des ferneren verzichte ich darauf, meine Tonart der
Ihrigen anzupassen. Die von Ihnen angeschlagene Tonart ist Ihnen
offenbar so geruhsam erschienen, daß Sie es für nötig hielten, sie durch
manch kräftig' Wörtlein und einen Namensscherz von feinster Geistigkeit
zu beleben. Ich wähle eine andere Tonart, doch wird sie Ihnen,
fürchte ich, nicht lieblich in den Ohren klingen.
Sie machen mir den Vorwurf, daß ich den von mir in der „Bo-
hemia" veröffentlichten Aufsatz den interessierten Herren verheimlicht
und erst nach längerem Sträuben zur Verfügung gestellt hätte. Hören
Sie, wie das zusammenhing. Als ich den Aufsatz drucken ließ, durfte
ich annehmen, daß eine neue Auflage meines Buches „Vom Jenseits*
der Seele" bald erscheinen und jenen Artikel in sich aufnehmen würde,
Durch die damals zur Höhe steigende Inflationskrise wurde indessen der
Absatz meines Buches so stark und dauernd beeinträchtigt, daß die Vorräte
erst jetzt zur Neige gehen. Der Grund aber dafür, daß ich das Zeitungsblatt
nicht herumschicken konnte und nicht aus der Hand geben
wollte, ist Ihnen doch wohl von Herrn Sanitätsrat Dr, Bruck mitgeteilt
worden. Er lag darin, daß ich nur ein einziges Exemplar besaß und
weitere Stücke vom Veriag der Zeitung nicht erhalten konnte. Ich habe
deshalb auch Herrn Dr. Moll das Blatt nur für einige Tage leihen können
, damit er Abschrift von dem Aufsatz nähme.
Heftige Beschwerde führen Sie, hochzuverehrßnder Herr Professor,
darüber, daß ich einen von Ihnen stammenden Brief nicht beantwortet
habe In diesem Briefe, so sagen Sie, hätten Sie mich zur Rücknahme
meiner Sie beleidigenden Aeußerungen aufgefordert; und im Sperrdruck
, dem man Ihr unwilliges Erstaunen förmlich ansieht, erklären
Sie: „Ich habe keine Antwort erhalten/' Die Schlußsätze jenes Briefes
lauteten folgendermaßen: „Ich beschuldige Sie daher, meinen Namen
als Wissenschaftler imd zugleich meine persönliche Ehre durch publizistische
Verbreitung unwahrer Gerüchte, die Sie ohne Schwierigkeit
durch Rückfrage bei mir hätten nachprüfen können und sollen, aber
nachzuprüfen unterlassen haben, daher leichtfertig auf das gröblichste
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