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96 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 2. Heft. (Februar 1925.)
dürftiger Begründung und in so hochmütigem Tone abgelehnt worclen,
daß ich, ebenso wie die beiden anderen Herren, wirklich alle Geduld
zusammennehmen mußte, um nicht gleich nach der ersten Antwort
den Briefwechsel zu beenden. Wir waren mehrmals nahe daran, eine
recht deutliche Absage zu schreiben, aber immer wieder siegte die Ansicht
, daß wir um der Sache willen in einem Briefaustausch manches
hinnehmen könnten, was in einer öffentlichen Erörterung unmöglich
gewesen wäre. Dieser Briefwechsel wurde nun etwa ein Jahr nach der
Sitzung mit Irma ohne unser Vorwissen veröffentlicht. Da schien es mir
doch an der Zeit, zu zeigen, wie dilettantisch die Herren arbeiten, die
sich uns gegenüber auf das hohe Pferd setzen. Das gilt keineswegs bloß
von Berliner Okkultisten. Denn ich empfand es ebenso als Anmaßung,
wenn Herr Dr. Joseph Böhm (Nürnberg) im Juni 1923 in den -„Psychischen
Studien" aller Welt verkündete, er habe bei einer gemeinsamen
Untersuchung festgestellt, daß ich nicht nur Sachkenntnis, sondern auch
,,Voraussetzungslosigkeit, Gründlichkeit und Objektivität. .. sehr vermissen
" ließ. Auf solche Dreistigkeiten habe ich schließlich einmal
mit einem scharfen Ausdruck geantwortet, nachdem ich Jahrzehnte hindurch
alle möglichen Beschimpfungen wie einen unvermeidlichen Platzregen
hingenommen hatte.
Zu der beanstandeten Verletzung der Diskretion meine ich im allgemeinen
folgendes: Ein Schweigegebot hat Sinn, solange eine Untersuchung
im Gange ist. Das gilt von einem wissenschaftlichen wie von
einem gerichtlichen Verfahren; wenn aber eine Sache zu Ende gebracht
ist, dann bedeutet das Totschweigen, wie ich mich ausdrückte, eine\
Irreführung der öffentlichen Meinung. Ich habe den beteiligten Herren
16 Monate Zeit gegönnt, ihre Beobachtungen fortzusetzen oder etwas
darüber zu sagen, aber ich will nicht auf die Dauer die skeptisch gesonnenen
Kenner des Gebiets beschimpfen lassen und meinerseits über
die von der andern Seite begangenen Fehler diskret schweigen. Ob das
mit den „ungeschriebenen, aber um so gebietenderen Regeln wissenschaftlicher
Gepflogenheiten" übereinstimmt, vermag ich nicht zu beurteilen
, denn ich habe nicht gleich Ihnen, hochzuverehrender Herr
Gymnasialprofessor, die Wissenschaftlichkeit in Erbpacht genommen.
Nur das eine weiß ich, daß die Oeffentlichkeit ein verzerrtes Bild des
Sachverhaltes empfangen würde, wenn die Teilnehmer an mißratenen
Sitzungen durch ein Schweigegebot oder Drohungen zur lebenslänglichen
Stummheit verurteilt würden.
In meiner Unterredung mit Herrn Sanitätsrat Dr. Bruck, aus der
Sie den Lesern der „Psychischen Studien" einiges so bereitwillig mitteilen
, und von der Sie einen unzutreffenden Eindruck vermitteln,
habe ich nicht nur das meiste von dem oben Dargelegten bereits ausgesprochen
, sondern auch darauf aufmerksam gemacht, daß die entscheidenden
Beobachtungen in der Sitzung mit Irma den beteiligten
Okkultisten sehr überraschend kamen. Hiermit berühre ich jenen Angriff
, bei dem Sie offenbar sich als mutigen Verfechter Ihrer persönlichen
und wissenschaftlichen Ehre fühlen. Sie sagen, daß in der Sitzung
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