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100 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 2. Heft. (Februar 1925.)
hätte beide Berichte vor mir gehabt und den in meine verbrecherische
Taktik passenden ausgewählt. Oder Sie werden es für eine „beachtliche
Duplizität'' ausgeben, daß die von mir vorgenommene Fälschung sich
auch schon als ein simples Versehen bei Zöllners Freund Ulrici findet.
Jedenfalls erklären Sie schlicht und würdig: „Dessoir unterschlägt/'
Sie sagen dann weiter in dürren Worten, daß mir nicht nur Forschertugenden
fehlen, sondern Sie sprechen mir auch noch das geringste
Maß menschlicher Anständigkeit ab. So ist bei Ihnen zu lesen: „?Mein
Vorwurf gegen Dessoir aber, Unwahrheiten, die ihm im wesentlichsten
als solche bekannt sein mußten, seiner Polemik unterzulegen, betrifft
eine Einstellung, die mit Wissenschaft überhaupt nichts mehr zu tun
hat. Diese Vorwürfe ,betreffen die menschliche B echtschaffenheit'
(Dessoir S. XIII)."
Und nun, Herr Professor, merken Sie einmal gut auf! Ich habe
Ihren Angriff auf mich gezogen, weil ich im allgemeinen von den heutigen
Okkultisten als von immer anmaßender auftretenden Stümpern
gesprochen habe. Namen wurden dabei nicht genannt, aber es soll nicht
bestritten werden, daß einige besonders Sach- und Personenkundige
diese Kennzeichnung auch auf Sie erstrecken konnten. Wenn ich von
jemand sage, er sei auf einem bestimmten Gebiete ein Dilettant und
er solle sich daher bescheiden verhalten, so setze ich damit noch nicht
die Ehrenhaftigkeit des Menschen herab. Sie aber und Ihresgleichen
belästigen mich nicht nur mit Ihren dünkelhaften Zurechtweisungen,
sondern Sie stellen mich vor der Oeffentlichkeit als ein ganz verworfenes
Subjekt hin. Habe ich jemals solche Verdächtigungen wie die von
Ihnen vorgebrachten gegen einen okkultistischen Schriftsteller geäußert?
Sie lassen ähnliches anklingen, indem Sie sagen, ich hätte das Zeichen
zu einem allgemeinen Presseangriff auf Herrn v. Schrenck gegeben,
als ich empfindliche Mängel seiner Uebersetzung eines englischen Berichtes
bemerkt hatte. Wollen Sie hören, was ich damals sagte? „An
sich ist es verdienstlich, daß Herr v. Schrenck-Notzing die schwer erreichbaren
Berichte der Engländer und Franzosen uns zugänglich
machen will. Aber nach dieser Stichprobe scheint mir, daß die Wiedergabe
in einzelnen Punkten ungenau und irreführend genannt werden
muß." Ich möchte wohl wissen, mit welchen gewaltigen Worten Sie
über mich hergefallen wären, wenn Sie solche Schäden in meinem Buch
hätten aufdecken können! Wie wenig Herr v. Schrenck sich durch jene
Bemerkung gekränkt fühlte, zeigt schon der Umstand, daß er mir sein
letztes Buch zu Anfang dieses Jahres mit der handschriftlichen Eintragung
schickte „Dero alten Freunde Dessoir trotz seiner Gegnerschaft
in aufrichtiger Verehrung gewidmet vom Verfasser". Sie aber reden von
mir nicht nur mit nörgelnder Ueberheblichkeit, sondern in Ausdrücken,
wie sie sich bisher nur die Anthroposophen erlaubt haben. Wollte ich
Gleiches mit Gleichem vergelten, so brauchte ich nur auf S. 672 des
Novemberheftes zurückzugreifen, wo Sie in einem als wörtlich gekennzeichneten
Zitat mich von „Schrencks genauen Angaben" sprechen lassen
, während tatsächlich gesprochen wird von ,,Schrencks Verhältnis-
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