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130 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 3. Heft. (März 1925.)
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telepathische Akt des näheren beschaffen ist. Handelt es sich um ein
einfaches unanschauliches Wissen über den Bewußtseinsinhalt der anderen
Person oder um ein direktes Wahrnehmen der anderen Seele und
ihres Bewußtseinsinhaltes oder um eine Wirkung der einen Seele auf
die andere? Bei der supranormalen Wahrnehmung treten uns überall
die selben Farben, Töne, Geräusche usw. entgegen, wie sie auch der
normale Mensch wahrnimmt. Eine Erweiterung der Zahl der Sinnesqualitäten
hat bisher nicht stattgefunden, ein ganz neuer Sinn wurde
bis jetzt nicht aufgedeckt. Die medialen Leistungen nahmen nur quantitativ
mehr wahr, als der normale Mensch von der Welt erfaßt, nicht
aber gehen qualitativ neue Seiten in ihr auf, wie wenn man z. B. die
magnetischen Zustände der Welt in einem besonderen magnetischen
Sinne aufnehmen könnte. Gegenstände werden beim Hellsehen niemals
von allen Seiten gleichzeitig gesehen, noch auch wird ihr Inneres in
seinen Qualitäten durch und durch aufgefaßt, sondern die Dinge gewähren
auch den Hellsehern immer nur Partialansichten. Woher kommt
diese beschränkte Art des Sehens?
Für die Metaphysik kommen besonders in Betracht: das
psy cho- p hy sisc he Problem des Wechsel Wirkungszusammenhanges von
Psychischem und Physischem, die Frage nach der Herkunft und Teilbarkeit
und Zukunft der Seele, ferner die Frage, ob die von der gewöhnlichen
Erfahrung erfaßte Welt das Ganze der Wirklichkeit darstellt
, und außerdem die Frage nach dem Verhältnis der Seele zu Gott.
Ist das in dem Trancezustand den Organismus des Mediums beherrschende
Ich einfach die Psyche des Mediums oder eine von derselben
verschiedene Seele, und in welcher Beziehung steht sie zu derselben
? Handelt es sich hier um die Seele eines Verstorbenen oder um
eine neugeborene Psyche, die aus der Seele des Mediums stammt, gleichsam
als Tochterseele derselben? Nach Oesterreich ist das Ich in allen
psychischen Zuständen und Funktionen enthalten.
Die psychischen Erlebnisse stellen Zustände ichhafter Natur dar.
Damit wird das Ich zu einem unselbständigen Element aller psychischen
Erlebnisse.
Gewisse Forschungen über die Spaltung der Persönlichkeit erzeugen
den Eindruck, als wenn zu demselben Organismus eine Mehrheit von
Ichen gehörte. Woher kommen diese sekundären Iche? Dieselbe Frage
ergibt sich hinsichtlich der in den Materialisationsgebilden wirksamen
Iche der vom Organismus des Mediums getrennten Phänomene. Ist das
in ihnen tätige Ich noch die Psyche des Mediums? In solchen Fällen hat
die mediale Psyche des Mediums neben seinem gewöhnlichen Organismus
noch einen zweiten geschaffen mit einem besonderen Ich.
Oesterreich erörtert nun die Möglichkeit der Loslösung neuer Iche
von der Psyche des Mediums und glaubt, daß es drei Stufen der Verselbständigung
gibt: die erste Stufe in den dichterischen Phantasien und
den Träumen, in denen die Erlebnisse des Mediums wie andere Iche mit
selbständigem Wesen auftreten; in dem zweiten Stadium zeigen sich die
eigentlichen Besessenheitsphänomene; das dritte scheint in der wirk-
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