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Peter: Phänomene in Island.
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Prof. Hannesson beschreibt den Sitzungsraum: Ein Saal, dessen
Fenster sämtlich geschlossen sind. Im vorderen Teil ist ein Raum für
das Medium und den Kontrollierenden. Beide sitzen nebeneinander auf
Stühlen. In der Nähe steht ein Tisch, auf dem sich zwei Zinntrompeten
befinden. An der Wand, hinter dem Medium, ist ein Lesepult. Den
übrigen Raum des Saales nehmen die Zuschauer ein, die auf Bänken
sitzen. Eine kleine Lampe verbreitet schwaches Licht.
Das Medium, ein liebenswürdiger junger Mann, tritt ein und nimmt
auf einem der Stühle Platz. Prof. Nielsson setzt sich neben das Me-
dium. Man schließt die Saaltür und löscht die Lampe. Eine Hymne
wird gesungen. Das Medium wirft den Kopf zurück; seine Hände liegen
auf seinen Knien. Man hört das Medium tief atmen. Plötzlich sagt es
in völlig veränderter Stimme: ,,Guten Abend! Wie geht es?" Und:
„Guten Abend, wie geht es, was treiben Sie?" oder andere Begrüßungen
werden in verschiedenen Stimmen von allen Seiten gehört. Die
meisten Stimmen ertönen in der Nähe des Mediums, einige auch in
ziemlicher Entfernung von ihm, selbst aus den leeren Ecken des Raumes
und von der Decke herab. Nichts als Bauchreden, denkt man sofort.
Aber alle diese Stimmen sind charakteristisch und individuell; es werden
Namen angegeben, und es sind stets die Namen Verstorbener. Wenn
jemand sie gekannt hat, kann er nicht leugnen, daß die Stimme und
die Denkungsart jenen Personen ähnlich sind, als sie noch im Leben
standen. Meistens sind es Isländer, mitunter auch Ausländer.
Man sagt sich: Kein Zweifel, das Medium hat diese Personen gekannt
oder von ihnen gehört und imitiert sie nun. Man wundert sich
über die stupide Einfalt, daß irgend jemand glaubt, daß es sich hier
um etwas anderes handelt, als gewöhnliche Betrügerei, die im Dunkeln
ihre Tricks zum Besten gibt.
Da schreit einem plötzlich eine rauhe Stimme ins Ohr. Der Klang
der Stimme zeigt deutlich, daß die Worte durch eine Trompete kommen
. Dies kommt so unerwartet, daß man starr ist. Die Trompete hat
vorher auf dem Tisch bei dem Medium gestanden. Sie hat sich offenbar
fortbewegt, denn man hört, daß sie jetzt höher, in der Luft ist.
Jemand muß sie halten. Kein Zweifel, das ist der Tropf, das Medium.
Aber halt! Jetzt ist die Trompete an einen ganz anderen Platz gegangen,
wo dieselbe Stentorstimme durch sie spricht!
Gut, denkt man, der Kerl jft im Zug, und man nimmt es als gewiß
, daß das Medium im leeren"Abteil des Raumes mit der Trompete
herumtanzt. Einer von uns ruft dem Kontrollierenden (Prof. Nielsson
/) zu, was das Medium tut. Nielsson antwortet, daß das Medium
regungslos auf seinem Stuhl sitzt und daß er die Hände des Mediums
nicht losgelassen habe.
Nun, sagt man sich, dann ist jemand da, der mit dem Medium
unter einer Decke steckt. In der Tat eine simple Art von Magie, die
wenigen Schritte an den Tisch zu machen, die Trompete wegzunehmen
und sich dann still unter die Zuhörer zu mischen. Welche Idee, zu
glauben, daß Tote durch einen blechernen Trichter schreien!
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