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212 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 4. Heft. (April 1925.)
Die Bilder 4—8 stammen von Herrn Johann Franyeczky, der
ein gutmütiger, ruhiger alter Herr ist, Beamter der ung. Staatsbahnen.
Er kann im gewöhnlichen Zustand nicht zeichnen, er schreibt und
zeichnet medianim, ohne Trance, intuitiv, seit vielen Jahren. Er arbeitet
nicht mit Bleistift, sondern mit Feder und Tusche, manchmal auch mit
Pastell. Es ist interessant: er taucht die Feder, wenn es notwendig ist,
absichtlich, bewußt in Tusche, aber nachher, wie er sagt, geht sein
automatisch arbeitender Arm ohne bewußtes Wollen, ohne Pläne
machendes Aussinnen, los. Er weiß aber selber nicht, was aus der
angefangenen Zeichnung entstehen wird. Arbeitet enorm schnell, die
haarscharfen, feinen Tuschlinien ordnen sich rasch aneinander, auch
dann, wenn seine Aufmerksamkeit ganz abgelenkt wird, und die -i/2- bis
ii/2 Quadratmeter großen Zeichnungen sind binnen 20—go Minuten
fertig. Dann schaut auch der Zeichner mit Neugier die sonderbaren
Figuren an.
Diese sind wirklich wunderbar. Die 1 tische, und die außerordentlich
feinen, ordnungsmäßigen Linien wirken, als wenn die Zeichnungen
gedruckt wären. Ihre künstlerischen Werte sind hoch. Vor einigen
Jahren haben drei berühmte ungarische Kunstmaler (die keine Spiritisten
waren) die Franyeczky-Zeichnungen studiert und haben darüber
folgende Meinungen abgegeben.
Bartholom eus Szekely, der berühmteste ungarische Geschichtsmaler
schrieb:
,,. . . Ich hatte die Zeichnungen von Franyecky (unterschrieben
,Windisch:, als zeichnender Geist) angeschaut. Die Sicherheit, womit
diese Zeichnungen durchgeführt sind, zeigt eine übermenschliche
Schärfe der Anschauung, da nirgends eine radierte Stelle oder Ausbesserung
bemerkbar ist. Das Objekt dieser Zeichnungen ist so sonderbar
und gesetzmäßig, aber zugleich so abweichend von den bisher gekannten
Zeichnungen, daß sie auch dann unseres Interesses würdig
wären, wenn dieselben nur das Produkt einer wisse nsc haf t lichen Fälschung
, oder eines abnormen Hirnes wären. Endlich sollten — wie
jemand behauptet — diese Bilder überirdische Wesenheiten uns vorstellen
, zu welchen der Zeichner durch geistigen Einfluß gekommen
ist, dann ist es eo ipso unsere Pflicht, die Frage aufzuhellen."
Ein zweiter ungarischer Künstler, Ignatz Rostovits, sagte darüber:
„Diese Zeichnungen schauen unbedingt wie Laien-Zeichnungen aus,
jedoch haben sie solche künstlerischen Qualitäten, wie z. B. — damit
ich ein verständliches Gleichnis sage — die Zeichnungen von „Moritzehen
" Oberländers, in den Fliegenden Blättern. Natürlich nicht, was
den Humor anbelangt, sondern dem künstlerischen Niveau nach.
Diese Bilder wirken absolut befremdend, sogar wie Bildrätsel, und einige
davon zeigen eine so enorme, abstrakte Kraft, daß meine sezessionisti-
schen Künstlerkollegen, wenn ein vornehmer Künstler dieselben als
eigenes Wrerk ihnen vorzeigen sollte, ganz ernst ihren Kopf darüber
zerbrechen würden, und sie würden diesen Künstler sehr hoch schätzen,
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