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234 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 4» Heft. (April 1925.)
Nach Schluß des zweiten Vortrages fand ich Gelegenheit, Prof. W.
und die Mitglieder der Gesellschaft für Psychische Forschung zu den
mitgeteilten glänzenden Resultaten aufs herzlichste zu beglückwünschen
und darauf hinzuweisen, daß das mitanwesende Medium, Frau Ras-
niussen, und die Herren des Arbeitsausschusses, die Prof. W. bei seinen
mühevollen Arbeiten mit großer Geduld und Hingabe unterstützt haben,
noch ganz besonderen Dank verdienen. Für mich selbst war der Abend
eine große Genugtuung, insofern als er mir vor Augen führte, daß
meine im Jahre 1921 in Kopenhagen geleistete Pionierarbeit doch nicht
umsonst getan ist, sondern im Gegenteil jetzt zu .»ehr erfreulichen Erfolgen
geführt hat. Wenn ich das hier etwas hervorhebe, so möge man
bedenken, daß der traurige Abschluß, den meine anfangs so glänzend
verlaufenen Untersuchungen Einer Nielsens mit dessen Entlarvung in
Kristiana gefunden haben, in den ganzen letzten Jahren mich aufs
schwerste niedergedrückt hat. Es hat nichts genützt, daß ich für meine
Ueberzeugung von der Echtheit Nielsens als Medium immer wieder eingetreten
bin. Es hat auch nichts genützt, daß Nielsen im vorigen Jahr
in Island großartig verlaufene spiritistische Sitzungen unter gewissen
Kontrollbedingungen gegeben hat. Nielsen steht heute in der Kopenhagener
Oeffentlichkeit genau noch und genau wieder so umstritten da,
wie es der Fall war, bevor ich meine Untersuchungen mit ihm begann,
Das mit einem äußeren Anschein von Sachkenntnis gefällte Urteil von
Kristiania hat eigentümlicherweise in Kopenhagen einen derartig entscheidenden
Eindruck gemacht, daß keine Rehabilitierung Nielsens mehr
möglich zu sein scheint. Er selbst hat sich auch in diesem Sinne mit
den Tatsachen abgef unden und zeigt heute kein Interesse mehr für streng
wissenschaftliche Untersuchungen. Im Kreise seiner alten Freunde hält
er aber auch jetzt noch spiritistische Sitzungen ab, in denen sogar öfters
noch unter günstigen Umständeen menschliche Phantome auftreten
sollen.
So traurig es nun ist, daß vorläufig die parapsychologische Wissenschaft
ein Medium mit so glänzenden Fähigkeiten wie Nielsen infolge
liebereifers und unangebrachten nationalen Ehrgeizes verloren hat, so
ist um so mehr zu hoffen und zu wünschen, daß man verhüten wird,
Frau Rasmussen in unberufene Hände gelangen zu lassen.
Um so nachdrücklicher möchte ich aber auch bei dieser Gelegenheit
wieder auf die Bedeutung der von mir vertretenen Untersuchungsprinzipien
hinzuweisen, die eine wirkliche Analyse der paraphysischen Phänomene
erstreben. Gerade die vorliegenden Untersuchungen von Prof. W.
bieten ein Schulbeispiel dafür, wie erfolgreich man das innere Wesen
der Phänomene aufdecken kann, wenn man sie nach den in den anerkannten
Zweigen der Naturwissenschaft üblichen Gesichtspunkten zu
analysieren bestrebt ist und nicht nur immer wieder ihre R e a 1 i -
t ä t an sich zu beweisen sucht. Und daß gerade Prof. W., dem ich
1921 auftragsgemäß das ABC meiner Versuchstechnik dargelegt und
mitgeteilt habe, gänzlich meinen Standpunkt einnimmt, hat er in seinem
zweiten Vortrag sehr deutlich zum Ausdruck gebracht, indem er an
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