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328 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 6. Heft. (Juni 1925.)
ganz verändert zurück. Was ist geschehen? Nun — „der Teufel ist in
sie hineingefahren". So behaupten die Leute von Talpa und die weiteste
Umgebung, aus welcher Neugierige und Wissensdurstige zu Fuß herbeiwallfahrten
, um sich zu überzeugen, was mit ihr los ist. Und es „geschehen
" wirklich wunderbare Dinge. . . Kaum, daß Leonore nach
Hause zurückgekehrt war und im Familienkreise zu Hause im Zimmer
saß, flog durch das Fenster ein nasser Stein — geradeswegs aus der
Szereth, auf deren Ufer das Häuschen steht. Bald darauf kam desselben
Wegs wieder ein großer und schwerer Stein, ohne daß jeman-d
draußen gewesen wäre, welcher hätte werfen können. Dann fingen an
im Zimmer Kartoffeln herumzufliegen, es erhoben sich vom Ofen
Schränkchen, irdene und eiserne Töpfe stiegen in die Luft bis zur
Zimmerdecke und zerbrachen. Wie sie die Scherben herauswarfen,
kamen sie wieder durchs Fenster zurück, auch bei verschlossenen Fenstern
usw. Zum Schlüsse schrie unvermittelt das Mädchen auf, daß sie
jemand an den Haaren reißt. Als sie das Tuch abnahm, war sie kahl,
und man fand die Haare in der Asche.
Es ist klar, daß das Mädchen durch den Aufenthalt bei der Großmutter
-Hexe verrückt wurde, und daß es durch ihre schreckenerregenden
Erzählungen die Familie derartig geängstigt hat, daß gegenwärtig
alle „lebhaft träumen". Die Haare hat sie selbst abgeschnitten und in
die Asche geworfen. Die Leute lassen sich indessen nicht bekehren und
glauben lieber, daß es „der Teufel gemacht" hat, der von der Leonore
Besitz ergriff. Kein Wunder, daß in solch einer durch Aberglauben
verseuchten Umgebung auch Personen einer Selbsttäuschung unterliegen
, von denen man es nie erwarten würde. Der Lehrer Teodoresku
glaubte gesehen zu haben, daß sich in Gegenwart des besessenen Mädchens
eine Truhe erhob; der Pfarrer aus dem Nachbarorte, Makareskn.
,,sah" wieder, daß in Gegenwart dieses Mädchens eiserne Töpfe auseinanderflogen
, welche niemand berührte, u. a. m. — Das Mädchen
unternahm eine Wallfahrt nach Suczan zum wundertätigen hl. Johannes,
wo der Pfarrer Iliesku ihr den Teufel austreiben wollte und für sie
zwei hl. Messen las. Als aber auch das nichts half, führte sie der Vater
ins Kloster nach Guravej, wo das Mädchen durch einige Tage verblieb.
Bald forderten aber die Mönche, daß der Vater sie wegnehmen möchte,
weil es seit ihrer Anwesenheit auch im Kloster ...spuke". Wieder regnete
es Steine, es erhob sich das Geschirr, die messingene Kaffeemühle
übersiedelte bei verschlossener Tür von einem Zimmer in das andere usw.
Auch die armen Mönche wurden das Opfer einer Selbsttäuschung!
Dann kamen aus Czernowitz auch Aerzte: Primarius Rammler,
Dr. Linke, Dr. Halban, Dr. Flohr, es kamen Redakteure, Ger ich tv
beamte, Gutsbesitzer aus der Umgebung, Miiitäringenieure, aber die
Wunder haben sich vor ihnen nicht mehr wiederholt. Sie erscheinen
eben nur vor den Hausleuten.
Ganz Bukowina ist in Aufregung; Ankömmlinge drängen sich,
ein Auto jagt das andere, und alle hören und hören die all er fürchten
liebsten Dinge, aber sie hören es nur . . .
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