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350 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 6. Heft. (Juni 1925.)
hat*. Ich fürchte, daß das Durchlesen von Houdinis Buch keine Heilung
hervorbringen wird." Man sieht, Houdini wird überhaupt nicht
recht ernst genommen.
Um diesen Widerspruch zu klären, wandte ich mich nach England
an eine Stelle, der auch Klinckowstroem die Sachkenntnis gerade für
diesen Fall nicht absprechen wird. Da die Anwort leider als „privat"
bezeichnet ist, kann ich weder den Namen nennen noch auch die Antwort
abdrucken, ich kann nur mitteilen, daß die Auskunft über Houdini
recht ungünstig ist, auch mein Gewährsmann nimmt ihn nicht ernst.
Ich habe das Buch auch selbst gelesen und schließe mich dem Urteil
an. Es kann in keiner Weise als ernsthaftes, zuverlässiges, wissenschaftlich
zu wertendes Buch angesehen werden.
Ich benutze den Fall, um einige allgemeine Bemerkungen anzuknüpfen
. Wenn wir Okkultisten etwas veröffentlichen, dann wird es
auf Herz und Nieren geprüft, man bauscht kleine Unstimmigkeiten zu
großen Fehlern auf; wenn irgendeine Vorsichtsmaßregel nicht erwähnt
wird, nimmt man als erwiesen an, daß sie nicht getroffen war usw.
Die Glaubwürdigkeit der Zeugen, des Autors und der Medien wird
auf alle mögliche, mitunter nicht anständige Weise zu entwerten versucht
, es wird verdächtigt, wo es geht, so daß schließlich nur ein;
Trümmerhaufen von widerlegten Versuchen daliegt und der Autor als
dumm oder leichtsinnig dasteht. Man wirft uns vor, daß wir im blinden
Glauben alles, was uns in den Kram paßt, annehmen usw. Ich
glaube, dieser Fall ist typisch und verdient gerade wegen seiner Eindeutigkeit
hier ausführlicher besprechen zu werden. Ich will damit
nicht alle Kritiker zu ,.entgleisten Existenzen" stempeln oder für Idioten
erklären, wie es umgekehrt ja wohl geschieht, aber es zeigt doch
deutlich, daß man auch auf gegnerischer Seite der allgemein menschlichen
Neigung unterliegt, leichtgläubiger zu sein, als es die Sachlage
gestatten würde, wenn es einem in den Kram paßt.
Was sehen wir nun hier? Ich betone noch einmal, es ist ganjz
gleichgültig, ob das, was Houdini sagt, sich bei Nachprüfung als richtig
herausstellen sollte oder nicht. Mir kommt es nur darauf an, an
diesem Beispiel zu zeigen, daß auch Kritiker des Okkultismus unkritisch
sein können, wenn es in ihren Kram paßt. Ich finde in dem
Aufsatz keine Rechtfertigung dafür, daß man das von Houdini Gesagte
für bare Münze nimmt, was umso notwendiger gewesen wäre, da der
Aufsatz nicht in einem Blatt für Fachleute steht, sondern in einer verbreiteten
Zeitschrift, deren Leserkreis das, was über den Okkultismus
gebracht wird, ohne Kritik für bare Münze nehmen wird. Wenn man
das Zeugnis von Houdini, dessen Buch man doch anmerkt, wes Geistes
Kind er ist, unbesehen annimmt, muß man uns auch gestatten,
das Zeugnis einer Waschfrau in einem Spukfall oder das eines beliebigen
Zeugen einer Sitzung für voll zu nehmen. Was aber sehen
wir in der Beurteilung von Sitzungen, z. B. von denen über die in
Schrencks Buche „Experimente der Fernbewegung" berichtet wird?
Kein Zeugnis gilt, soweit es nicht negativ ist. Nun sind gewiß zahlreiche
Zeugen, und seien es auch „Hochschullehrer", keine Fachleute
auf dem Gebiete des Okkultismus, immerhin haben sie ihren gesunden
Verstand und sie sind gewöhnt, wissenschaftlich zu beobachten und zu
denken. Aber sie gelten nichts, wenn sie nicht Negatives zu sagen
haben. Und sogar die Fachleute — und es gibt deren unter den
Hochschullehrern und außerhalb ihrer Reihen — gelten nichts. Houdini
aber, über den man gar nichts weiß, und der ganz gewiß kein Gelehrter
ist und nicht wissenschaftlich denken kann, wird für vollgenommen
über Dinge, die sich gar nicht nachprüfen lassen.
Es liegt in der Natur der Sache, daß man derartige Entgleisungen
häufiger bei den positiv Eingestellten findet; wie ich anderwärts ausgeführt
habe (Zur Methodologie des Okkultismus im „Archiv für Ok-
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