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Ludwig: Fälle parapsychischer Veranlagung 397
Wie viele Zöglinge bezeugen, gab es von 1860—80 kaum einen
Todesfall im Oratorium, den Don Bosco nicht angekündigt hatte und
zwar in einer Weise, die jedesmal durch die Umstände bestätigt wurde.
Doch die am meisten berühmt gewordene Weissagung Don Boscos
war jene vom November i854- Er träumte, ein Lakai des königlichen;
Hauses rief ihm zu, er solle verkünden, daß es ein großes Leichenbegängnis
bei Hof geben werde. Don Bosco, darüber erwachend, entschloß
sich, den Traum Victor Emanuel zu schreiben. Fünf Nächte darauf ein
ähnlicher Traum, diesmal jedoch sagte der Lakai nicht ,,ein großes
Leichenbegängnis bei Hof'', sondern „große Leichenbegängnisse bei
Hof". Und Don Bosco schrieb von neuem an den König. Dieser geriet
darüber in Wut und sandte den Marchese Fasati, um Don Bosco sagen zu
lassen, welche Art das sei, den Herrscher so in Aufregung zu setzen.
Don Bosco jedoch erwiderte: „Aber wenn das, was ich schrieb, die Wahrheit
ist?" Inzwischen hatte die Comtessa Cravosio Anfossi von Don Bosco
den Auftrag übernommen, mit den beiden Königinnen wegen einer Unterstützung
für das Oratoiium Rücksprache zu nehmen. Nachdem ein
paar Tage vergangen waren, kam sie zu Don Bosco, um ihm mitzuteilen,
daß es ihr noch nicht gelungen sei, Audienz, zu erhalten, sie hoffe jedoch
, es werde binnen kurzem geschehen. Don Bosco schüttelte den
Kopf wie im Zweifel, und auf die Frage der Gräfin bemerkte er: „Sie
werden die beiden Königinnen kaum mehr sehen." Ohne daß irgend
etwas darauf hingedeutet hätte, starben in den ersten Tagen des Januar,
Maria Theresa im Alter von vierundfünfzig Jahren und Maria Adelaide
im Alter von dreiunddreißig Jahren. Und es waren nicht die beiden einzigen
Leichenbegängnisse bei Hof, denn innerhalb weniger Tage öffnete
sich die Gruft von La Superga auch für ein Kind Victor Emanuels und
für den Herzog von Genua.
Die zweite sehr lesenswerte Biographie, der ich einige parapsychische
Tatsachen entnehme, führt den Titel „Roms letzte Tage unter der
Tiara. Erinnerungen eines römischen Ranonicus aus den Jahren 1868
bis 1870 von Klemens August Eickholt." (Herder, Freiburg 1918.) Verfasser
ist der ehemalige päpstliche Offizier Eickholt, ein biederer West-
fale. Er ward im März 1870 nach Marseille abkommandiert, um dort ein
Sammelbureau für Freiwillige des päpstlichen Heeres einzurichten. Er
erzählt:
„Vor meiner Abreise besuchte ich meinen mir so wohlwollenden
Oberst. Bei einer Tasse Kaffee und der Zigarre trat der hohe Vorgesetzte
im gemütlichen Plauderstündchen in den Hintergrund. ,Mich soll wundern
, wie es Euch in Marseille gehen wird', meinte mein Chef. ,Wenn
der Krieg schon bald ausbricht, werdet Ihr dort wohl nicht viel ausrichten
.' , Krieg? ja mit wem denn?' war meine verwunderte Frage. ,Es
gibt Krieg zwischen Frankreich und Preußen', antwortete der Oberst.
,Die Franzosen bekommen Hiebe, wie sie noch keine verspürt haben.
Den Franzosen könnte ich die längst verdienten Schläge schier gönnen'
— der Oberst war kein Franzosenfreund — aber ich fürchte, es kann
auch für uns in Rom schlimme Folgen haben/ Mit einem Blick auf mein
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