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478 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 8. Heft. (August 1925.)
optischen bildentwerfenden Apparates. Eine weitere Vorbedingung einer
solchen homonymen Hemianopsie ist dann die Zuordnung einer Gehirn-
region zur Netzhaut und eine ganz besonders geartete Kreuzung der
Auge und Gehirn verbindenden Nervenfasern im Ghiasma der beiden
Sehnerven. Man darf wohl sagen, diese eigenartige Erscheinung der
echten Hemianopsie ist so eng mit dem Raumsinn des Auges und mit
seinen ganz besonderen und eigenartigen Verhältnissen verknüpft und
durch sie bedingt, daß man nicht sieht, wie und wo diese Verhältnisse
sich noch einmal im Organismus genau wiederholen sollten, so daß ich
vorerst diese Analogie als unfruchtbar und gefährlich ablehnen möchte.
Gefährlich wird sie eben insofern, als die Mechanisten ohne die notwendige
genauere Analyse darin eine Bestätigung ihrer physikalischen Auffassung
sehen könnten, man sollte ihnen deshalb, solange nicht genauere
Analyse andere Seiten des Probleme® als die hier besprochenen zeigt,
nicht den kleinen Finger geben und diese analogische Ausdrucksweise
nicht verwenden, es besteht die Gefahr, daß man sonst die ganze Hand
ergreift und proklamiert, daß auf Grund der „Hemianopsia para-
psychica" sich beide streitenden Parteien auf eine mechanistische Theorie
geeinigt hätten.
Damit will ich das Problem der Lücken in der telepathischen
Uebertragung nicht gelöst, sondern nur eine scheinbare Lösung abgewiesen
haben. Auf dem Wege von der Vorstellung des Gebers bis
zur Ausführung der Zeichnung durch den Empfänger sind soviel
Hindernisse. Schwierigkeiten und Gefahren, worauf besonders kürzlich
Frau Sidgwick aufmerksam gemacht hat (,,On hindrances
and complications in telepathic communication"; Proceedings der
S. P. R. Bd. 34), so daß wir uns nicht zu wundern brauchen, daß
Entstellungen entstehen, dabei mögen dann „zufällig' auch einmal
durch Zusammenspiel verschiedener Ursachen hemianopische Ergebnisse
vorkommen. Auch bei optischen Eindrücken, die an der Grenze der
Sichtbarkeit liegen (Mikroskopie. Astronomie), spielen mehrere psychophysiologische
Faktoren wie Kontrasterscheinungen, phantasiemäßige
Kombination usw. oft eine starke, verhängnisvolle Rolle, man denke
z. B. an die Geschichte der Marskanäle, die sich nach neueren Forschungen
als eine optische Täuschung auf Grund von Kontrastphänomenen
entpuppt haben sollen. In analoger Weise stehen auch die telepathischen
Fähigkeiten an der Grenze der menschlichen Fähigkeiten, man wird
also ähnliche Lücken, Ergänzungen usw. aus psychologischen Gründen
und infolge der Schwierigkeit der Uebertragung erwarten können. —
Mit einem gtiten Medium gute Versuche zu machen ist nicht
allzu schwer; für die Beurteilung der geistigen Leistungen eines Buches
ist es vielfach wichtiger zu sehen, was für Gedanken in dem Autor
durch die Versuche angeregt sind. Brucks Schrift bringt nun zahlreiche
Erörterungen psychologischer Art, die vielfach den Leser zum Weiterdenken
anregen, wobei es weniger darauf ankommt, ob der Autor oder
der Leser zu endgültigen Lösungen der aufgeworfenen Frage kommt,
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