http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1925/0540
532 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 9. Heft. (September 1925.)
genug aus, indem wir sagen: die Bewegungen geschehen in der Zeit.
Zeit ist das wahre Wesen des Raumes! Könnten wir unser Bewußtsein
aus der Welt nehmen — und in gewissem Sinne ist das dem Verstände
möglich —, so würde der Welt die räumliche Starrheit mangeln, die
ihr unsere dimensionale Bewußtseinsstruktur verleiht, und alles schiene
draußen ununterbrochen zu fließen. Einstein hat das ja in seiner allgemeinen
Relativitätstheorie angedeutet, indem er dem Naturraume
eine fließende ewig wechselnde Struktur zuschreibt, ihn als Bezugsmolluske
charakterisiert. Nur die von ihm gewählte Benennung solchen
Mediums als ,,vierdimensionaJen ' Raumes ist zu beanstanden, aber die
Charakterisierung trifft zu. Wollen wir die richtige Benennung anwenden
, so ist dieser fließende Raum als Zeitraum — unter Betonung
des Wortes Zeit — zu bezeichnen während der Raumzeit —
unter Betonung des Wortes Raum — der zu erörternde Ueberraum
zu unterscheiden wäre. Mit diesem haben wir es nun zu tun.
Es ist klar, daß für die Erscheinungen, deren Eingehörigkeit in
eine allgemeine überzeitliche Bewußtseinssphäre bereits betont wurde,
eine Raumstruktur besonderer Art nötig ist, damit sie, wie die Objekte,
in Ordnungsbeziehung sich darzubieten vermögen. Hier nun kommen
wir zum Begriff der Vierdimensionalität. Vierdimensionali-
tät gehört zur Individuation, die wir verstanden als die Zusammenschweißung
der in den mannigfaltigen Einzelbewußtseinen verstreuten
Obj ektdarstellungen eines physischen Dinges zu einem psychischen
Dinge. Fragen wir nun, was das physische Ding zusammenhält, so ist
als Antwort zu sagen: eine Kraft. Jedes Ding ist ein energetisches
System, das als Ganzes nur gegeben ist durch eine Kraft, die dem Energiegehalt
Form aufprägt. Auch dafür, wie überhaupt für das Nächstfolgende
3 kann ich hier den Beweis nicht antreten, da uns das viel zu
weit abführen würde. Ich habe darüber bereits in verschiedenen Schriften
gehandelt und bereite die Veröffentlichung anderer vor, die diesen
Problemen bis ins Letzte nachgehen. Was die Bedeutung der Kraft
als Formprinzip der Energie anlangt, so sei nur ein Beweis
angeführt, der aus der Existenz des Elektrons sich ergibt. Es ist unbestreitbare
Tatsache, daß kein Elektron, auf Grund seines Gehaltes an
negativer Ladung, bestehen könnte, wenn nicht eine Kohäsionskraft die
widerstrebenden Energien zusammenzuhalten vermöchte. Jedes Elektron
ist in diesem Sinne Energiepotenz und alle höheren Systeme sind
nichts als umfassendere Potenzierungen auf Gfund verstärkter Auswirkung
der Kraft: am stärksten wirkt sie sich aus im Aether, der
in sich alle materiellen Massen zur Ruhe bringt. Das Wesen der im
Aether sich auswirkenden Kraft ist überhaupt nichts anderes als Systemsetzung
, als Individuation der Energie, die im Aether selbst
im umfassendsten Maße durchgeführt wird. Ich erwähne dabei, daß
wir nicht von einem allgemeinen A et herzustand im Weltall reden dürfen
, denn das hieße ja vom Weltall ganz allgemein Potentialität der
Energie behaupten, was offenbarer Widersinn wäre, sondern daß wir
nur von Aetherinseln im Räume zu reden haben, die als die Grundlage
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1925/0540