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544 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 9. Heft. (September 1925.)
das Haus meines Großvaters gekauft hatte, das im Jahre 1808 für
meinen Urgroßvater gebaut worden war/' —
Zum Schluß noch zwei nicht alleinstehende Fälle, welche mit der
ersten Auflage dieser Schrift geschehen sind: Herr Dr. Kühnemund in
Göttingen schreibt mir: Anfang 1923 promovierte ich mit einer Arbeit
über den Zufall bei Shakespeare, wie ich sie Ihnen hier übersende,
deren ich seit jener Zeit, ebensowenig wie des Themas, kaum mehr gedacht
. Ich hielt mich seit vorigem August auf befreundeten Gütern
auf, wo die Arbeit zum Hauptteil entstanden war. Da zwang mich in
den letzten Wochen irgendein Innerliches plötzlich zum alten Thema
zurück. Auf der Heimfahrt suchte ich meine Schrift aus dem Gepäck
hervor und entschloß mich, sie weiter auszuf ühren. Dabei wurde der
Wunsch in mir lebendig, einmal anstatt mit Philologen mit einem
Künstler, womöglich einem Dramatiker, mich auszusprechen. In Gedanken
entwarf ich bereits in den Grundlinien einen Brief Mich peinigte
die Frage: warum beschäftigt sich niemals ein Dichter auch theoretisch
mit dem Zusammenhange von Schicksal und Zufall! — Am
ersten Tage meines Wiederhierseins will ich also zu meinem Professor
gehen, um ihm meine Absicht und meine Gedankengänge vorzutragen,
und finde auf dem Wege zu ihm Ihre kürzlich erschienene Schrift im
Schaufenster meines Buchhändlers,, hole sie mir und gehe zu Professor
H., der von meiner Rückkehr noch nichts weiß. Er begrüßt mich sichtlich
überrascht mit den Worten: ,Ich habe dieser Tage viel an Sie gedacht
, ich wollte Ihnen schon schreiben, Sie müssen Ihre Arbeit fortsetzen
/ Damit zieht er eine Nummer des ,Hannoverschen Kuriers4 hervor
, die eine Besprechung Ihrer Schrift enthält. Er hatte sie mir senden
und die Schrift zum Studium empfehlen wollen. Ich zog meinerseits
die eben gekaufte Schrift aus der Tasche, und wir lachten über den
sonderbaren .Zufall'. Der ganze Zusammenhang aber erschütterte mich;
nicht nur das wie unter innerem Zwange erfolgende Zurückkehren
zum alten Thema, gerade zu dieser Zeit, fast über Nacht entstanden; zu
einem Thema, das lange von anderen wichtigen Plänen zurückgedrängt
worden war. Vor allem: daß mir gerade in dem Augenblick der Dramatiker
und Philosoph zugleich begegnete, den ich schmerzlich suchte.
Es ist, als hielte ich die Lösung in den Händen, als brauchte ich nun
zuzugreifen/4 —
Eine Dame aus der Schweiz, die ich nicht kenne, erzählt mir dies
anmutige kleine Erlebnis: ,,Vor einigen Woclfen, an einem Freitag,
gab mir ein Freund Ihr Büchlein über den Zufall. Noch am gleichen
Abend las ich es mit Spannung; all das seltsame Geschehen nahm mich
in seinen Bann, trotzdem meine vielleicht — und leider — allzu
skeptische Natur es anderen, Berufeneren überlassen muß, an Ueber-
natürliches zu glauben. — Am Samstag traf ich jenen Freund auf der
Straße, wo ich mich — verzeihen Sie mir — ziemlich spöttisch äußerte.
Ich schloß lachend: ,Wenn nur auch meine Brosche zur Besitzerin
zurückstreben wollte!' — Ich hatte ein halbes Jahr vorher anläßlich
einer Hochzeitsfeier in einem Kurort eine hübsche Platinbrillantnadel
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