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600 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 10. Heft. (Oktober 1925.)
Forscher hergestellten Phantomphotographien hätten gewiß sein Urteil
bezüglich des rein subjektiven Charakters der Phantombilder wesentlich
umgestaltet. Aber bei dem damaligen Stand der okkultistischen
Forschung war seine vorwiegend siibjektivistische Auffassung der okkulten
Tatsachen durchaus verständlich, was sie heute im Zeitalter gesicherter
telekinetiseher Beobachtungen und unbezweif elbarer Phantomphotographien
nicht mehr wäre.
Schopenhauer schließt seine Abhandlung mit den Worten: „Wenn
es mir durch diese Betrachtungen gelungen sein sollte, auch nur ein
schwaches Licht auf eine sehr wichtige und interessante Sache zu
werfen, hinsichtlich welche, seit Jahrtausenden, zwei Parteien einander
gegenüberstehen, davon die eine beharrlich versichert ,es ist!' während
die andere hartnäckig wiederholt ,es kann nicht sein', so habe ich alles
erreicht, was ich mir davon versprechen und der Leser billigerweise erwarten
durfte," S. 349-
Ist das ,,Traumorgan'' und seine Visionen der Grundgedanke des
„Versuchs über Geistersehen4, so bildet das Problem des Hellsehens
und seine wichtigste philosophische Schlußfolgerung, der Gedanke der
durchgehenden strengen Notwendigkeit den Hauptinhalt des tiefsinnigen
Aufsatzes „Ueber die anscheinende Absichtlichkeit im Schicksal des
Einzelnen*', Reclam, sämtliche Werke, Bd. 4, S. 231—255, und der
Gedanke, daß der Wille das Wesen der Magie ausmacht, den Grundgedanken
seiner auf den Okkultismus bezüglichen Ausführungen in dem
Werk: „Ueber den Willen in der Natur", Reclam, Bd. 3, S. 290—323.
Auch in den von Griesebach so bezeichneten ,,Neuen Paralipomena"
berührt Schopenhauer in dem Kapitel: „Zur Philosophie und Wissenschaft
der Natur", Nachlaß, 4- Band, Reclam, S. 137—i4o, das Gebiet
des Okkulten, indem er das damals gerade eine Zeitlang Mode gewordene
Tischrücken aus dem Unterbewußtsein, wie wir heute sagen würden
, erklärt. Es heißt dort: „Wenn einer die klopfenden Tische als
Orakel konsultiert und sie ihm das Abwesende, ja, Künftige richtig verkündigen
, so ist dies daraus zu erklären, daß ihm, was er unbewußt weiß,
durch den Tisch zum Bewußtsein gebracht wird. In uns steckt ein
heimlicher Prophet, der laut wird im Somnambulismus und Hellsehen,
wo er verkündet, was vor- und nachher, im wachen Zustande, uns unbewußt
ist. Auch im tiefen Schlaf weiß er alles und sucht bisweilen, es
dem Gehirn in allegorischen Träumen, seltener in theorematischen (den
sogenannten „Wahrträumen", wie wir heute sagen würden) beizubringen
."
Welche Bedeutung hat nun der Okkultismus für Schopenhauers
System? Kurz gesagt, den einer Bestätigung seines philosophischen
Grundgedankens vom Willen in der Natur. In seinem Hauptwerk von
1819 „Die Welt als Wille und Vorstellung" ist wohl vom Vitalismus,
von all den wunderbaren gestaltenden Kräften des Organismus, noch
nicht jedoch von okkulten Problemen die Rede. Dies ist erst in seinem
i836 in erster Auflage erschienenen Werk „Ueber den Willen in der
Natur ', in dem Abschnitt „Animalischer Magnetismus und Magie", in
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