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Geldnerth: Mediale Leistungen der Frau Jadwiga Domanska. 661
Die medialen Leistungen der Frau Jadwiga Domanska
und die angeblichen Manifestationen des weiland Prof.
Dr. Julian Ochorowicz.
Von Heinrich Geldnerth, Berlin.
(Schluß.)
Sitzung vom 7. Oktober 1922.
,,Kremer (ein polnischer Philosoph) sagte einmal, daß der Mensch
zwischen zwei entgegengesetzten Welten schwebe und sein Leben sei
ein unaufhörlicher Kampf zweier miteinander ringender Elemente:
Des Sinnlichen und des Geistigen.
Die dynamische Schaffens- und Transformationskraft, welche die
Kräfte der menschlichen Kosmopsyche in Bewegung setzt, führt auf
dem Wege der alltäglichen Erscheinungen der Materie zu höchsten
geistigen Erhebungen; und die dadurch bedingten seelischen Zustände,
analysiert unter dem Gesichtswinkel subjektiver Schlußfolgerungen der
Denker, bedeuten für uns ein Rätsel bis zum heutigen Tage.
Bezüglich des Themas, das ich hier besprechen will, setze ich auf
den ersten Plan die von Richet geäußerte Meinung, die sich zweifellos
auf eine rationelle Erklärung der in Frage kommenden Begriffe stützt.
Ich werde mich gleichzeitig bemühen, dem Parallelismus und der
ganzen Schulrichtung zu folgen, die auf den Freudismus gestützt,
eine ganze Reihe von Tatsachen unberücksichtigt ließ, die sich keinesfalls
unter einer einzigen allgemein-verstandesmäßigen Konstellation
unterbringen lassen.
Obgleich die Ergründung von' Tatsachen eine gewisse Summe von
Vergleichen erfordert, darf sie nicht lediglich auf Vergleichen beruhen
. Wir dürfen nicht vergessen, daß Vergleiche nur dann existieren,
wenn Gegensätzlichkeiten vorhanden sind. Wenn mein Pariser Freund
bedenken wollte, daß der Spiritismus allein als Gegensatz ihm
schon einen großen Dienst erweist, indem er ihm gestattet, angesichts
seiner allerdings dunklen Autorität, ganz entgegengesetzte Schlüsse zu
ziehen und auf deren Boden das Verfolgen der aphoristischen Richtung
zu erschweren, so gibt gleichzeitig das Operieren mit verschiedenartig
kommentierten Tatsachen die Möglichkeit infolge der Reibung
zweier Meinungen, das Entstehen einer dritten mittleren Meinung zu
verursachen, und mit dieser mittleren, dritten Meinung werden wir
uns hier eingehender beschäftigen.
Wir wissen, daß ein Kurzsichtiger einen geringeren Umfang des
Horizontes umfaßt, als ein Weitsichtiger. Für den Kurzsichtigen existieren
nicht eine ganze Reihe weiter entfernter und mit dem Auge
des Weitsichtigen bewunderter Effekte; dieselben enden an der Peripherie
seines eigenen Gesichtskreises — er ist genötigt, sich mit wörtlichen
Erklärungen anderer zu begnügen und lediglich die Beobachtungen
derer, die besser sehen, bei sich aufzunehmen.
Dasselbe geschieht auf allen Gebieten ungenügender oder gesteigerter
Sinnesfunktionen, was uns beweisen soll, daß wir gewöhnt sind,
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