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Geldnerth: Mediale Leistungen der Frau Jadwiga Domanska. 665
des höchsten geistigen Aufschwunges. Dennoch habe ich den Mut, über
diese Schlucht eine recht arbeitsam konstruierte Brücke zu schlagen,
deren Komponenten die physiologischen Zellen und die siebenfarbige
religiöse Gnosis sind. Was soll man tun? Man gelangt zu diesen;
Schlüssen beim Nachdenken über das Unterbewußtsein, welches, wie
Richet sagt, an einem Häkchen am Gehirn hängt. Ich gebe zu, daß
dieser Vergleich mein eigener ist: ich bediene mich desselben, bei dem
in dieser Abhandlung behandelten Gegenstande.
Stellen wir uns den primitiven Urmenschen vor, dessen Ideen die
Grenze der Formation, die der Sphäre seiner ersten Evolution entsprach
, nicht zu überschreiten vermögen. Wenn wir dessen Gehirn
zergliedern, und uns über die Arbeit und die Ideenkombination dieses
Gehirns Rechenschaft geben, gelangen wir zur Ueberzeugung, daß der
morphologische Prozeß, dem er unterlag, besondere spezielle Stempel
tragen mußte, daß sein intellektuelles Niveau unfähig ist, Ideen in
einer bestimmten Form zu modellieren, zur selben Zeit und infolge
derselben Ursachen jedoch zur Schaffung eines recht interessanten
Sterbeprozesses Veranlassung gab.
Welcher Faktor war der herrschende unter diesen Bedingungen
im Moment des Todes, dieses Meteors, der gleichzeitig die dunklen
uns verborgenen Stellen des Unterbewußten und doch Geahnten ins
Licht bringt?
Ich bin überzeugt, daß es nicht das rückwirkende Gedächtnis war,
welches diese Rolle spielte, ebensowenig die besonderen Phasen einer
physischen Vegetation; im Gegenteil: rein unbewußte Faktoren, welche
nicht das Rückwirken de , sondern das V o r w ä r t s s t r e -
b e n deumfaßt e n. Das Vorwärtsstrebende will hier das bezeichnen,
was jenseits des Lebens seinen Anfang nahm: Die
Ahnung eines weitergehenden Existierens jenseits
des glimmenden im Schädelinn er >n eingeschlossenen
B e wuß ts ein f lämmche ns.
Sitzung vom 17. Oktober 1922.
Ich muß wieder zu Freud zurückkehren, welcher in der Unmöglichkeit
, das Bewußtsein als Phänomen aufzufassen und physiologischen
Erscheinungen unterzuordnen, das V o r b e w u ß t s e i n schuf, das
seiner Meinung nach nichts anderes ist, als die Vorbereitung des Bodens
zur Aneignung und nachträglichen Umschaffung einer gewissen Gruppe
von Erregungen zum bewußten Erleben. Das Prinzip nämlich eines
rationellen Erfassens von Dingen verwickelter Natur besteht in der
Motivierung der betreffenden Fakten auf neutralem, anonymen Boden.
Ich würde z. B. nicht zögern, zu behaupten, daß der gesamte Positivismus
seine Richtung unwillkürlich auf der Hypothese von Gott aufbaute:
es war nämlich ein derartig aphoristisches Aufstellen der Frage unumgänglich
notwendig, um die Autorität der Wissenschaft zu betonen,
im Hinblick auf die stetig wachsende Kette von Legenden, angefangen
von den Formationsgesetzen und geschlossen, wollen wir sagen, mit der
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