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670 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 11. Heft. (November 1925.)
flug auszeichnen. Frau D. empfängt diese poetischen Darbietungen,
die auch eine entsprechende individuelle Färbung aufweisen sollen,
angeblich auf dem Wege der Eingebung im Trance seitens der jenseitigen
Intelligenzen berühmter polnischer Dichter, wie Mickiewicz,
Slowacki, Krasinski.
Es dürfte hier nicht unangebracht sein, die Analogie zwischen
dem künstlerischen Schaffen und der medialen Kunstleistung zu betonen
, mit dem Unterschiede natürlich, daß der Künstler im Wachzustande
, das Medium dagegen im Trancezustande zu schaffen vermag.
Beide jedoch haben eine gemeinsame Quelle in der Inspiration, die
wiederum den schöpferischen Regionen des Unterbewußtseins entspringen
soll. In beiden Fällen können wir die Spontanität der Leistungen
beobachten, da auch der wahre Künstler in stimulierenden Momenten
seines Schaffens, keine eng umschriebenen Ziele und Gedanken
hat, welche sich auch mit echter Eingebung überhaupt, nicht vereinbaren
ließen, obgleich zugegeben werden muß, daß naturgemäß die
individuellen geistigen Qualitäten des Schaffenden nicht ohne Einfluß
auf die künstlerischen Produktionen bleiben.
Auch Och. betont angeblich die Identität des revelatorischen Mediumismus
mit der schöpferischen Eingebung, und sagt gelegentlich:
„Die Ekstase ist die Grundlage der reinen künstlerischen Eingebung —
auch der revelatorischen Medien. Die Momente der Befreiung aus den
körperlichen Fesseln gestatten den glücklichen Sterblichen die unermeßliche
Größe des Unendlichen zu umfassen/'
An anderer Stelle, gelegentlich eines Themas über den Unterschied
zwischen Religion und Schaffen: „Die in der Ekstase von allem
Irdischen befreite Seele schreitet in das Gebiet des höchsten Kultus:
Aus der Schatzkammer, in die die Menschheit alles von ihrem Geist und
Glauben niedergelegt hatte, entnimmt sie Worte und Farben und windet
dieselben zu einem wundervollen Ganzen. Vor allem jedoch entsteht
daraus ein Kriterium, das Juwel des kollektiven philosophischen Gedankens
. Der Schaffende schleift es nach seinem eigenen Begriffsvermögen
, entzündet es mit den Funken seines eigenen Genius, um es
schließlich als ein unvergängliches Geschenk der Menschheit darzubringen
/'
Mit diesem Hinweis auf die Analogie wollte ich nur angedeutet
haben, daß man die hier vorliegende revelatorische Phänomenik womöglich
vom Gesichtspunkte der künstlerischen Inspiration betrachten
und erklären könnte. Vermutlich dürfte auch ein Teil dieser Revela-
tionen, insbesondere die dichterischen Darbietungen, auf diesem Wege
gewonnen worden sein; allein, es ergeben sich nach dem Geschilderten
auch gewisse positiv zu wertende Momente, die sich nicht restlos durch
diese Erklärung decken lassen und daher auch andere Möglichkeiten
nicht ausschließen.
Es fragt sich nun, ob die Künstler und Medien in gegebenen ekstatischen
Momenten in der Lage sind, selbständig aus den Quellen des
Unterbewußtseins zu schöpfen, oder haben sie ihre schöpferische In-.
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