http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1925/0689
Sünner: Der „Pseudosachverständige'' Hellwig im Urteil der Presse 679
— man wünscht es ihm — geheilt zu werden. Er folgt wohl Weisungen
höheren Orts, und im Kriege hatte er einen leibhaftigen
Landgerichtsdirektor als sachverständigen* Souffleur an seiner Seite.
1200 Mark soll allein das schriftliche Outachten des Herrn Hellwig
der anhaltischen Staatskasse gekostet haben. Wenn man das Heli-
wigsche Gutachten durchblättert, wird man überrascht durch den
Ton persönlicher Voreingenommenheit. Hellwig will kein Wunder;
Wunder ist unordentlich, Wunder widerspricht einer geordneten Rechtspflege
. Oder, soll eine Dorfhexe von einem Sachverhalt wirklich
mehr wissen, als ein durch alle juristischen Examina Gegangener?
Das läßt Hellwig nicht zu. Er pflanzt auf jeden Weg und Umweg des
menschlichen Lebens die Tafel: ,Hier ist Hellsehen verboten'."
Um das Wunder aus der Welt zu schaffen, hat Hellwig Zweierlei.
Erstens schreibt er Artikel, was aber (außer ihm) bisher wenig gefruchtet
hat. Die ganze Humorlosigkeit des Paragraphenmenschen, der
sich einbildet, der Okkultismus sei tot, wenn Herr Drost aus Bernburg
verurteilt wird. Daß ein Mensch darüber zerbrochen wird, ist ihm
ganz gleichgültig. Also konstruiert man den „Betrug".
Soweit die der Parapsychologie bisher sehr kühl gegenüberstehende
Tagespresse. — „Fanatiker der Skepsis, gerissener Dialektiker, Gerne-
Groß-Inquisitor" — das sind immerhin einige liebliche Stilproben,
die wir nie gewagt hätlen Herrn Hellwig trotz unserer bisherigen
Bekämpfung ins Stammbuch zu schreiben, da wir in ihm doch bisher
einen eifrigen Förderer unserer Sache sahen, wofür unseren Dank auszusprechen
in dieser Stunde des Abschieds wohl unsere Chronistenpflicht
ist. Nicht mit Unrecht nennt „Sling" das Prozeßtoben in Bern-
burg einen „Krieg", es war eine Schlacht zwischen den Verkündern
neuer Wahrheiten und den unbelehrbaren Rückschrittlern, die gerne
den Marsch der Wahrheit verhindern möchten. Es war ein Krieg, in
dem nunmehr zunächst Herr Hellwig allein als Toter auf dem Kampfplatz
bleibt: dieser Richter hat sich selbst gerichtet!
Es sind teilweise so ausgezeichnete Feuilletons erschienen, daß
man bedauert, sie wegen Raummangels nicht hier nachdrucken zu
können. So glaubt Artur Zickler im „Lokal-Anzeiger" vom 20. Oktober
* „der Okkultismus hat seine juristische Feuerprobe bestanden",
und weiter führt er aus: „Der Feind, der sich so unbegreiflich eifrig
seine Vernichtung vorgenommen hatte, war der Landgerichtsdirektor
Hellwig aus Potsdam. Ein Mann, dessen Arbeitskraft eine erstaunliche
sein muß, daß er neben seinem Amt seit erdenklichen Zeiten
die Vernichtung des Okkultismus betreibt. Zwar hat er sich nie mit
Experimenten befaßt, aber er ist belesen — und außerdem stolz
darauf, daß er prinzipiell auch das nicht glaubt, was den Skeptischsten
zum mindesten zum Nachdenken verpflichtet. Als er von Drost
hört, bietet er sich, wie in anderen Fällen, als Sachverständiger an.
Kraft seiner Stellung bekommt er Material, das anderen Sachverständigen
und auch der Verteidigung vorenthalten wird. Er erstattet ein
Vorgutachten, dessen Wert allein schon durch das spätere Urteil
dargetan ist, und erhält dafür mehr als tausend Mark. Er bietet der
Presse Artikel an, die zum Teil auch erschienen sind und Drost noch
vor der Klärung des Prozesses zum Betrüger stempeln. Er hält Vorträge
gegen den Okkultismus gegen Honorare, an denen gemessen
die Einkünfte Drosts Vogelfutter sind. Für den Prozeß, in dem er
zweifellos m ehr als Partei ist, mutet er Zeitungen
die Uebe rt ragung der Berichterstattung an ihn zu.
Das Gericht erklärt ihn trotzdem für unbefangen. Das ist erstaunlich
!" Was bei dieser freiwilligen Berichterstattung an Objektivität
und. Sachlichkeit herausgekommen wäre, läßt sich leicht ausdenken.
So schallt also Herrn Hellwig aus der, soweit sich übersehen läßt,
gesamten großstädtischen und auch sonstigen maßgebenden Presse
einmütige Ablehnung entgegen.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1925/0689