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680 Psychische Studien. LH. Jahrgang, 11. H ft. (November 1925.)
Ist es doch ein Zeichen der Zeit und des gewaltigen Impulses,
der von diesem Prozeß ausgeht, daß ein so politisches und bedeutendes
Blatt wie die „Deutsche Allgemeine Zeitung" einen Leitartikel
von 2i/2 langen Spalten über „Hellseher" veröffentlicht, der, wenn auch
noch vorsichtig gehalten, doch die Bedeutung der sich nun anbahnenden
Entwicklung anerkennt. Neben dem Verfasser desselben, Kurt
Baschwitz, brachte dasselbe Blatt noch eine Betrachtung über „Die
übersinnliche Woche", von Hans Ganter, die deshalb nicht ohne Bedeutung
, weil auch in dieser Zeitung Hellwig wiederholt das Wort
nahm, und nach dem Mollprozeß „Juristische Betrachtungen" zu
eben diesem Prozeß anstellte. Ganter schreibt: „In Potsdam lebt ein
Landgerichtsdirektor, dem sein Beruf Zeit genug läßt, sich seinem,
dem Drostschen entgegengesetzten Steckenpferd zu widmen: der Feindschaft
wider alles Okkulte, das ja zugegeben etwas anderes ist als
die Justiz." Und zum Schluß heißt es: „Drost darf also wieder Dinge
sehen, die ,hierorts trotz Umfrage behördlicherseits nicht bekannt/
sind. Und der Freistaat Anhalt darf in seinen Beutel greifen, und
die ,Uebersinnliche Woche' bezahlen."
Auch die im Prozeß gefallene Bezeichnung „Geschäftsantiokkultist"
für Herrn Hellwig durch den Berliner Anwalt Dr. Winterberg ließ
an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, und weist im Zusammenhang
mit den Aeußerungen der Presse darauf hin, daß sich voraussichtlich
gegen weitere publizistische und forensische Tätigkeit des
unentwegten Theoretikers in Zukunft einige Widerstände geltend
machen dürften.
Wie in Vorahnung dieser für ihn unerwünschten geschäftlichen
Situation hat Herr Hellwig soeben selbst eine „kritische", d. h. anti-
okkultistische Zeitschrift als eigenes Leiborgan ins Leben gerufen,
dessen Herausgabe ihm allerdings von seiner vorgesetzten Behörde
nicht gestattet worden ist. Dafür wartet er in der ersten Nummer, die
nun ein anderer Getreuer aus dem Kreise derer um Moll herausgibt,
mit „Psychologischen (sie!) Glossen zum Berliner Okkultistenprozeß"
auf. Diesen Artikel mit seinen nachweisbaren TJnWahrheiten, Angriffen
und leichtfertigen Behauptungen auch nur zu beachten und für
ernst zu nehmen, hieße ihm eine unverdiente Würdigung zuteil werden
zu lassen. Als Kuriosum mag nur erwähnt werden, daß er die als
Hauptzeugen im Mollprozeß aufgetretenen Experimentatoren mit langjähriger
eigener praktischer Erfahrung wieder als unerfahrene Anfänger
hinzustellen beliebt, während er von sich selbst in der
Prozeßwoche in Bernburg mehrmals und zuletzt noch in seinem
eigene n Gutachten zugeben mußte, daß er selbst noch keine
okkulten Versuche gemacht habe, daß es ihm an jeder eigenen
Erfahrung mangele, und daß er als Theoretiker nur die einschlägige
Literatur beherrsche. Man hat nicht einmal den Eindruck, daß
das letztere ganz zutreffend ist.
Somit scheint nunmehr bald Hellwigs Rolle ausgespielt zu sein.
Ihm, der den Okkultismus vernichten wollte, verdanken wir einen
völligen Umschwung der maßgebenden öffentlichen Meinung, und
man soll uns nicht nachsagen, wir wären undankbar gegen unsere
Wohltäter! Sünner.
Die Vernunft der Pflanze.
Von Adolf Wagner.
(Mit 62 Bildern, bei Carl Reißner, Verlag, Dresden.)
Die Naturwissenschaft, vor allem ihre als Biologie zusammengefaßte
Seite, befindet sich heute in einem ausgesprochenen Zustand der Krise,
was besagen soll, daß das Bild vom Werden, Wachsen, Wirken und
Vergehen der lebenden Organismen, wie es durch die Schulwissenschaft
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