http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1925/0718
708 Psychische Studien. LH. Jahrgang. 12. Heft. (Dezember 1925.)
der Folgerung, daß wir es bei dem Doppelgänger mit einem Substrat
zu tun haben, das im Mensehen aus früheren Entwicklungsstufen zurückgeblieben
ist und das höhere Denkvermögen enthält, oder zu der
anderen, daß hier tatsächlich jener Körper vorhanden ist, der sich beim
Tode vom Menschen trennt und dessen ganzes Empfindungsleben bis
zu den höchsten geistigen Aeußerungen mit sich nimmt, womit die
Tatsache übereinstimmt, daß beim Tode tatsächlich Aeußerungen festgestellt
wurden, die den normalen geistigen Horizont des betr. bei
weitem übertrafen. Diese Frage läßt sich für uns nicht beantworten,
so daß auch der absolute Beweis des Fortlebens aus den Schleie tischen
und Becherschen Forschungen von selbst fortfällt — man könnte
höchstens darauf hinweisen, daß jene erstere Annahme an sich gezwungener
erscheint als die zweite und daß der erweiterte Horizont
bei Sterbenden eher für diese als für jene Annahme zu passen scheint;
es erklärt sich dann daraus, daß eben das höhere Leben in diesem
Augenblick in Erscheinung tritt, da seine Gebundenheit an den
physischen Körper zu Ende ist.
Als Ergänzung wird hier noch eine Reihe anderer Forschungen
in Betracht kommen, die vorerst noch am Anfang stehen, aber doch
Aussicht haben, wichtige Ergänzungen gerade zur Weltanschauungsfrage
auf diesem Gebiete zu liefern: die Astrologie und die Schicksalsforschung
. Erstere bedarf zur Zeit noch umfangreicherer statistischer
Unterlagen, als sie bisher vorhanden sind (es ist bezeichnend,
daß erst vor einigen Jahren das erste statistische Bureau für Astrologie
in Leipzig geschaffen wurde), wobei besonders die Frage untersucht
werden muß, wie groß die Zahl der im Durchschnitt immer
wiederkehrenden Eigenschaften bei den einzelnen Menschentypen ist,,
welche in Verbindung mit den jeweiligen Gestirnsständen gebracht worden
sind. Erst dann wird die Frage endgültig entschieden werden
können, ob hier wirklich kosmische Zusammenhänge vorhanden sind,
die sich nicht nur auf das vegetative, sondern auch das seelische Leben
des Menschen beziehen. Zu der Schicksalsforschung im engeren Sinne
gehört die Handlesekunst und die Ermittlung der Zukunft aus Wahrträumen
bzw. den Visionen der Hellseher, soweit auch der einzelne
in ein solches Geschehen verwickelt ist. Aus den bisher bekannten Tatsachen
, die nach Abzug anderer Erklärungen wie Gedankenübertragung
usw. verbleiben, scheint sich zu ergeben, daß wenigstens die Hauptetappen
des menschlichen Lebens von vornherein bestimmt sind, wenn
auch in Einzelheiten ein Umbiegen möglich ist. Dies führt aber bereits
nach der inneren Seite des Problems hin, die mit der moralischen
Ausdeutung des menschlichen Lebens gegeben ist, wie zu allen Zeiten
auf Sern Gebiete der Religion vorhanden war, wie man denn auch
daran erinnern könnte, daß Hellseher vorzugsweise ungünstig verlaufene
Ereignisse schauen. Ist die Lösung in jener tiefblickenden
Auskunft gegeben, die einer der Versuchspersonen Kohnstamms auf
Grund ihrer „hypnotischen Selbstbesinnung" über die Aufnahmefähigkeit
des Unterbewußtseins gab (Kohnstamm: Das Unterbewußtsein
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1925/0718