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Krönier: Die Ergebnisse des Bernburger Hellsehprozesses. 723
ich ihn als ,,Vorstellung", bis ich ihn als Vorstellungsbild gewahr werden
konnte. Erst mußte er Außenwelt für mich werden, eh© er sich
in meinem Bewußtsein spiegeln konnte. Folglich muß ich außer den
Sinnesorganen, die mir grobstoffliches Dasein zur Wahrnehmung bringen
, auch noch Empfindlichkeit feinstofflicher Art für Feinstoffliches
besitzen, gleichsam inneres Sehen.
Aber das also Geschaute sind flüchtige Gebilde. Eben hatte ich
einen Gedanken erfaßt, eben erst tauchte er vor mir auf, aber plötzlich
zerrann er, wie Traumbilder zerrinnen. Ich konnte ihn nicht mehr
sehen und darum auch nicht mehr sagen. Seine feinstofflich materielle
Gestalt war wieder ins allgemeine Sein zurückgesunken. Das Geistige
in mir mußte ihn erst neu schaffen und aufs neue vor mich hinstellen.
Da war er nun plötzlich wieder da und ich stieß auf ihn und nannte
ihn „Einfall"; erkannte ihn wieder und sprach von ,,Er-innern\
Gedanken und Träume sind also innerlich geschaute Dinge. Da
sie das sind, sind sie bewegte Materie. Von ihrem Dichtigkeitsgrade
wird es abhängen, wie lebhaft der Bildcharakter einer Vorstellung wird.
Illusionen, Visionen und Halluzinationen sind Steigerungen der Materialität
solcher Schöpfung, sie sind Materialisationen. Darum können
Sensitive nicht davon überzeugt werden, daß ihre ,,Erscheinungen*e
nicht realer Natur seien, sondern eben nur „Halluzinationen". Wie
aber, wenn ein Zweiter die Halluzination wahrzunehmen vermag! Ich
habe das in glaubhafter Weise festgestellt gesehen.
Vom flüchtigen Gedankenblitz bis zur ausgebildeten Materialisation
führt also eine ununterbrochene; Reihe, unterschieden nur durch
den Verdichtungsgrad der Erscheinungsstufe, durch den Verdichtungsgrad
jener Gebilde, die wir denkend erschufen.
Die Ergebnisse des Bernburger Hellsehprozesses.
Von Dr. Walther Kröner, Charlottenburg.
In jüngster Zeit hat der Strafprozeß gegen, den Lehrer Drost in
Bernburg, der wegen kriminaltelepathischer Betätigung unter Betrugsanklage
stand und glänzend freigesprochen wurde, ungeheures Aufsehen
erregt und einen gänzlich unerwarteten und unbeabsichtigten.
Umschwung in der öffentlichen Meinung zugunsten des okkulten Tatsachengebietes
herbeigeführt, dessen Auswirkungen sich kaum übersehen
lassen.
Wie ein Treppenwitz der Weltgeschichte wirkt es, daß dieser Erfolg
nicht in offener Feldschlacht zwischen den Koryphäen des Pro-
und Antiokkultismus, sondern durch den Widersinn einer Gerichtsverhandlung
über wissenschaftliche Streitfragen und durch den Zusammenstoß
zweier Persönlichkeiten erzielt worden ist, die beide durchaus
nicht als Leuchten ihrer Partei zu bezeichnen sind. Aber Gottes Mühlen
mahlen langsam. Vierzig Jahre lang haben die Ekstatiker des Antiokkultismus
aus der Schule Molls verstanden, durch ihr starres und
affektgebundenes ,,non credo" die Anerkennung längst gesicherter wis-
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