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der Rückständigkeit fehlt es nicht an Zeugnissen
geistiger Intensität. Der doppelte
Abwehrkampf des späteren 18. Jahrhunderts
- - im Innern gegen den zentralisierenden
Bürokratismus josephinischer Aulklärung
, nach außen gegen die protestantische
Nachbarschaft an allen Grenzen
zwingt die Prälatnren über die Wahrung
landständischer und grundherrlicher Rechte
hinaus zu einem letzten Erweis ihrer Daseinsberechtigung
lind der ungeschwächten
Geltung ihrer kulturellen Funktion. Die
Führerstellung fällt auch im geistigen
Kampf der überragenden Persönlichkeit
des Fürstabts Martin II. Gerbert von
St. Blasien zu. Fest auf dem Boden kirch- L»' ~~V
Jicher Lehre fußend, Feind der Aufklärung \ , _
und Lessingschen Toleranz, ist er doch ein
Mann von bewundernswerter Weltoffenheit
und Aufgeschlossenheit für die Strömungen
der Zeit. Wie ihn seine praktische
Regententätigkeit im Stil der Epoche als
planenden Wirtschaftspolitiker und humanen
Sozialreformer zeigt, so hat er als Abb. 6 Friedrich Weinbrenner
theologischer Denker alle Elemente und Gez. u. geätzt von Carl Sandhaas
Errungenschaften moderner Wissenschaftlichkeit
Philosophie und Philologie, Geschichte, Altertumskunde, Geographie
, Mathematik — gleichsam als Flilfswissenschaften einzubauen versucht
in ein freieres und moderneres System der Gottesgelehrtheit. Seine eigenen
Werke, besonders seine berühmte „Historia Silvae Nigrae", sind der persönliche
Ausdruck dieses universalen Strebens.
Dieses planmäßig gelenkte geistige Schaffen übt und empfängt Wirkungen
weit über seinen Bereich hinaus. Wie die letzten Vertreter sanktblasischer Historiographie
den mächtigen Einfluß des großen Klettgauers Johannes v. Müller,
Geschichtsschreibers der Schweiz, erfahren, so stehen die älteren, Herrgott
und Heer, in persönlichem und brieflichem Verkehr mit Schöpflin, dem Geschichtsschreiber
Badens. Erscheint hier im Hintergrund das Problem der geschichtlichen
Stellung des Breisgaues im Neben- und Gegeneinander von
Zähringern und Habsburgern, so erinnert uns der Briefwechsel zwischen
Fürstabt Gerbert und dem badischen Oberamtmann Johann Georg Schlosser
in Emmendingen an sehr reale Probleme, die das Verhältnis zwischen Baden
und Vorderösterreich bereits in das Licht grundsätzlicher Entscheidungen
rücken. In dem badischen Beamten kämpft das rationale Wirtschaftsdenken
des modernen Staates gegen altüberkommene Herrschafts-und Abhängigkeitsverhältnisse
lehensrechtlichen Ursprungs gegen den ständigen Abfluß
materieller Werte aus dem armen hochbergischen Lande durch Abgaben an
fremde Zehntherren, das heißt vor allem an die umliegenden Klöster. Den Rechten
der Prälaten stehen hie und da zögernd wahrgenommene Verpflichtungen für
Bau und Unterhalt von Kirchen und Pfarrhäusern gegenüber; so haben beispielsweise
die Johanniter für Bahlingen, Bickensohl, Vörstetten, das Stift Wald-
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