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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1958/0067
katholischer Geschlechter und - - besonders seit der Revolution - - ein e rheb-
licher Zuzug aus dem Elsaß. Nun erst, mit den Marschall und Roggenbach,
Berstett und Andlau, erhält der badische Hof- und Beamtenadel gewissermaßen
ein oberrheinisches Gepräge. Auch von den hohen bürgerlichen Beamten
und Vertrauensleuten, die in den obersten Regierungskollegien erscheinen
, kommen zunächst gerade die für Baden wichtigsten von auswärts:
der Oberamtmann und Geheimrat Schlosser, der Organisator der badischen
Staatsverfassung Brauer, der Physiokrat Schlettwein. Unzweifelhaft konzentriert
sich in dieser durch sorgfältige Auslese gewonnenen Oberschicht ein
hohes Maß nicht nur an amtlicher Tüchtigkeit, sondern auch an Bildung und
geistiger Aktivität, aber es fehlt der breite, zeugende Untergrund. Der Markgrafschaft
fehlt die große Stadt mit ihren vielfältigen Anregungen und ihrem
flutenden Verkehr, ihren Bildungseinrichtungen und -möglichkeiten, vor allem
das reiche, kultivierte Bürgertum. Während die Großstädte in den Randzonen
und der Mitte der deutschen Welt, Hamburg und Leipzig, Zürich und Basel,
dem geistigen Prozeß mächtige Antriebe geben, weisen die halb ländliche
badische Residenz, die um 1770 etwa 3000 Einwohner zählt, oder gar Emmendingen
, das mit 2000 Einwohnern eben erst das benachbarte Eichstetten überflügelt
hat, kein Großbürgertum, ja nur wenige wohlhabende Familien auf.
Immerhin zieht die Bildung, noch nicht von der Residenz monopolisiert, aus
der Isolierung der Außenposten Gewinn. Es entstehen Zellen, teils provinziell
abgesondert und doch voll lebendiger Geistigkeit wie das Lörrach des
jungen Hebel, teils überterritorial-weltoffen wie Schlossers Emmendingen,
wo ein bedeutender Mensch und Schriftsteller in Nähe und Ferne die feinen
Geistesfäden brieflichen Austausche und persönlichen Verkehrs spinnt und
eine einzigartige, aber auslesende Gastlichkeit entfaltet. Diese Zellen suchen
und finden Rückhalt an den außerbadischen Nachbarstädten. Das Oberland
neigte sowieso wirtschaftlich, kulturell, familiär — wir brauchen nur an Hebels
Herkunft zu denken - - mehr nach Basel als nach Karlsruhe, und selbst die
Besuche des Landesherrn in seinen oberen Herrschaften endeten zu geistigem
Austausch in seinem Basler Hause. Die Tagungen der Helvetischen Gesellschaft
in Aarau und Ölten, die Pfeffelsche Militärakademie in Kolmar, die wissenschaftlichen
und literarischen Sozietäten Straßburgs werden zu Sammelpunkten
für die führenden Geister des ganzen oberrheinischen Raums. So hat in dem
Dreieck Basel — Straßburg — Karlsruhe die badische Residenz ihre Gleichberechtigung
erst erkämpfen müssen. Wenn wir schließlich beobachten, wie
von den Ecken dieses Dreiecks die Fäden weiterlaufen, von Basel nach Zürich,
von Straßburg nach dem württembergischen Mömpelgard, von Karlsruhe zur
Residenz der Pfälzer in Mannheini, so wird uns unmittelbar eine große oberrheinische
Kulturgemeinschaft sichtbar, in die die Markgrafschaft gliedhaft
eingeordnet ist, wie diese Gemeinschaft selbst wieder Teil der werdenden
deutschen Kulturnation ist, die ihre Wegbereiter und Führer als vertraute
Gäste zu den Bildungsstützpunkten am Oberrhein entsendet.

Dieser fruchtbaren überterritorialen Verflechtung wirkte auf Seiten der
Markgrafschaft die natürliche Tendenz des Fürstenstaates auf Unabhängigkeit
und Selbstgenügsamkeit entgegen. Das unentbehrliche Reservoir für seinen
Bedarf an bürgerlichen Staatsbeamten und Bildungsträgern bot ihm die Kirche.
Die Pf arrer. Vertrauensleute ihrer Gemeinden und der Behörden. Staats- und
Kirchendiener zugleich, vermittelten zwischen den Oberbeamten und den örtlichen
Bürgermeistern und Stabhaltem. Nur in dieser Geistlichkeit, die neben

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