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http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1958/0068
ihren kirchlichen Obliegenheiten das Volksschulwesen zu beaufsichtigen, in
Rechtspflege, Polizei, Statistik staatliche Funktionen wahrzunehmen hatte,
konnte die Markgrafschaft die bodenständige, getrennte Herrschaftsbezirke
einheitlich übergreifende und zusammenhaltende Schicht finden, deren sie
bedurfte. Diese Schicht konnte seit der Mitte des Jahrhunderts auswärtigen Zuzug
ausschalten und sich in der Hauptsache aus dem eigenen Nachwuchs, im
übrigen aus dem niederen Beamtentum und dem Handwerk und Gewerbe Avirt-
schaftlich begünstigter Orte wie Pforzheim und Lörrach ergänzen. Das Staatsinteresse
erforderte Kontrolle der menschlichen und bürgerlichen Qualitäten
und Kontrolle des Bildungsgangs. In den Diözesen bereiteten kirchlich beaufsichtigte
und geleitete Pädagogien — wie das Lörracher des „Präzeptorats-
vikari" Hebel - auf die Oberklassen des Karlsruher Gymnasium illustre
vor, das nach Lehrplan und Lehrverfahren eine Zwischenstellung zwischen
höherer Schule und Universität einnahm. Mit ihm trug die zentralisierende
Tendenz im ganzen den Sieg davon, wenn auch noch manche Schüler den
Gymnasien in Kolmar, Mömpelgard oder dem hanauischen Buchsweiler den
Vorzug gaben. Dagegen fehlte die Universität als großer Anziehungs- und
Sammelpunkt der Geister. Wiederholte Anläufe scheiterten an der Ungunst
der Verhältnisse, und die Hoffnung, in Straßburg einen natürlichen Ersatz zu
finden, erfüllte sich nicht. Wohl zog die Nachbarschaft zahlreiche badische
Studenten an, doch unter den Studienorten der Theologen behauptete Straßburg
nicht den beherrschenden Platz. Man ging — wie Hebel — nach Erlangen
oder weiter hinaus bis nach Jena und Halle. Von um so größerer Bedeutung
für das Land mußte das Gymnasium sein. Es las die Geistlichen der Markgrafschaft
aus und empfing aus ihren Reihen — im Wettbewerb mit auswärtigen
Gelehrten — die Lehrer, die zum guten Teil gleichzeitig Inhaber wichtiger
Kirchenämter bis hinauf zum Hof- und Oberhofpredigeramt waren und neben
den theologischen LIauptkollegs alte Sprachen, Philosophie und Naturwissenschaften
lehrten. Man erstrebte nach dem Vorbild des Straßburger Sturm-
Gymnasiums universale theologische Bildung, und nur das spätere Anhängsel
einer Realschule deutet die moderne Tendenz auf schärfere Trennung der
Fächer an.

Umfassende Bildung, ausgedehnte gelehrte Schriftstellerei, ansehnliche
Privatbüchereien waren jedoch in der Hauptsache Privilegien einer kleinen
Oberschicht von Karlsruher Professoren und Spezialen in der Provinz. Die
Masse der Landgeistlichen befand sich dagegen schon wirtschaftlich meist in
so schlechter Lage, daß sie das Verlangen der Behörden nach gediegener Vorbereitung
und wissenschaftlicher Fortbildung nicht erfüllen konnten. Ein angemessener
Bildungsstand der Lehrberufe aber war Voraussetzung für eine
höhere Volksbildung, diese wiederum nach Meinung aller führenden Geister
Bedingung für Wohlstand und Glück der Bevölkerung. Eine aufgeklärte
Obrigkeit hatte den Bildungshunger der Untertanen zu befriedigen. So kam es
zur Einrichtung von Diözesan-Lesezirkeln (in Pforzheim, Karlsruhe, Emmendingen
und Badenweiler), die nicht nur die wichtigste Fachliteratur bereitstellten
, sondern auch durch Zeitschriften den Zusammenhang mit der fortschreitenden
Forschung wahrten. Entsprechende Zirkel für Lehrer schlössen
sich meistens bald an. Aus und neben diesen Zirkeln bildeten sich bürgerliche
Lesegesellschaften, die vielfach ebenfalls von Pfarrern ins Leben gerufen und
geleitet wurden; besonders gerühmt werden die Pforzheimer, die Karlsruher
unter Leitung des Hebelfreundes Kirchenrat Sander und die Emmendinger

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