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rich — auf dem erfolgreichen Bemühen um die Bildung von Klerus, Lehrerschaft
und Laien weit. Daß er den Buchhändler Bartholomäus Herder von Rottweil
an den Oberrhein geholt hat, ist nur ein charakteristisches Einzelbeispiel.
Vor allem hat er jene Schicht von hochgebildeten, großzügig-freisinnigen Geistlichen
geschaffen, die mit den lutherischen Pfarrern in Pflege und Weiterbildung
des neugewonnenen Kulturbesitzes wetteifern konnte.
Auf diesen Wettstreit dichtender Theologen nur noch ein flüchtiger Blick
von Hebel aus: der Freiburger Gymnasialprofessor und spätere Merzhauser
Pfarrer Ignaz Feiner, noch der jesuitischen Generation entstammend, versucht
, mit dem großen Vorbild wenig erfolgreich in „Neuen alemannischen
Gedichten" zu konkurrieren. Nicht mit ihm, sondern mit dem anspruchsloseren
Wessenbergianer Marcus Fidelis Jäck aus Konstanz, Priester in Triberg
und später in Kirchhofen, steht Hebel in herzlichem Einvernehmen; sein Bestes
gibt Jäck neben gelehrten Arbeiten in erbaulichen Erzählungen, alemannischen
Episteln, einem Lokalepos von Triberg. Ein anderer wessenbergianischer Priester,
der Wolf acher Strasser, später dem Konstanzer Freundeskreis um Wessen-
berg und Ittner zugehörig, wird im Verfolg pädagogischer Reformpläne zum
Verfasser moralisch-erziehlicher Schul-Schauspiele, die er von seinen Schülern
aufführen läßt. Aus dem gleichen Antrieb heraus hat sich auf der protestantischen
Seite Hebels Freund und Kollege, der Kirchenrat Sander, schon
während seiner Pforzheimer Pädagogen-Tätigkeit um ein zeitgemäßes Schultheater
bemüht.
Auch an der Wiederentdeckung der altdeutschen Sprachschöpfungen haben
beide Seiten Anteil. Der Freiherr v. Lassberg aus Donaueschingen, mit
Ittner besonders eng verbunden, als die letzte Lebensetappe beide an den
Bodensee führt, häuft die Früchte eines unermüdlichen Sammlerfleißes, vor
allem Lieder der Minnesinger und eine wertvolle Handschrift des Nibelungenliedes
. Schon hat am andern geographischen Pol des Raums Karl Friedrichs
Hofbibliothekar Molter nach emem alten lateinischen Codex die erste
poetische Verdeutschung des Heldenliedes vom „Prinzen Walter von Aquitanien
" versucht, während der aus Bühl gebürtige Professor Alois Schreiber
, Freund und Biograph Weinbrenners, Volkssagen und heimische Lieder
sammelt oder umdichtet.
Dem katholischen Süden überlegen zeigen sich die dichtenden Pastoren
und Beamten der Residenz im Kirchenlied. Während von den vierzig Liedern,
die Wessenberg selbst zu seinem christlich-katholischen Diözesan-Gesangbuch
beisteuert, sich kaum eines lange hat halten können, erscheinen in dem von
Walz redigierten neuen Badischen Gesangbuch Lieder, die in den gültigen
Bestand eingehen.
Wie die Bildung verbindetNord und Süd dieToleranz. Es wirkt symbolisch,
daß Wessenberg auf seiner ersten großen Reise den Fürstabt Gerbert in St. Blasien
und den evangelischen Theologen Lavater in Zürich besucht, von dem er ohne
weiteres Lieder in sein Gesangbuch aufnimmt. Lavater wiederum hat man zum
Jesuiten gestempelt, weil er seine Empfindungen in einer katholischen Kirche
besang, der Protestant Jacobi hat die Litanei „Auf das Fest aller Seelen" gedichtet
. Lange umstritten endlich war die Konfession eines Anonymus, der mit
einem religiösen Erbauungsbuch über alle Bildungs- und Glaubensgrenzen
hinweg das deutsche Haus eroberte, weil es dem noch lebendigen Bedürfnis
des Bürgertums nach Familienandachten ebenso entgegenkam wie seinem
Verlangen, sich nebenher moralisch ergötzen und praktisch belehren zu lassen.
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