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Wichtiger ist, was uns das von Zasius in beiden Urkunden verwendete
Formular zeigen kann. Es entspricht bis in alle Einzelheiten hinein dem bei
Notaren Konstanzer Diözese üblichen, übrigens auch sonst weithin einheitlichen
Stil, vermeidet, etwa in der Invocatio, die unmittelbar mit der Datierungszeile
verbunden ist, jedes überflüssige Wort, sticht aber andererseits in keiner Weise
durch individuelle Prägnanz hervor. Bei Aufzählung der Geschäftspartner ist
im Badener Instrument auf genaue Titulierung, im Vidimus des Schaffhauser
Instruments vor allem auf die Beschaffenheit und Unversehrtheit der vidimierten
Vorlagen geachtet. Zeitgebunden zeigt sich der Notar Zasius, soweit er
nicht einfach den Inhalt des Pfründstatuts wiedergab, vor allem im Badener
Stück, in der Verwendung von Paarformeln. Das Nebeneinander lateinischer
und deutscher Worte („fry uffgeben unnd resignirn" usw.) ist zeittypisch;
im ganzen fällt eher ein Zug zur Verdeutschung der Urkundensprache und eine
die Genauigkeit fördernde, unserem begrifflichen Denken fremd gewordene
Häufung von Synonymen und Beispielen auf. Zasianisches aus dem Diktat der
Rahmenurkunde herauszuhören, fällt daher eher schwer39". Vergleiche mit zeitgenössischen
Instrumenten haben ergeben, daß sich Zasius völlig im Rahmen
der Konstanzer Schreibschule hält, von der wir, was die Form des notariellen
Instrumentes im einzelnen angeht, durchaus sprechen dürfen.
Noch ist das von Zasius gewählte S i g n e t zu beurteilen. In der Wahl seines
Zeichens war der Notar, wenn er nicht etwa das gleiche oder doch ein ähnliches
wie als Notare tätige Vorfahren wählte40, frei. Aber Freiheit bedeutet im
Mittelalter noch längst nicht Ungebundenheit, am wenigsten was die Form von
Wort und Zeichen angeht. Die Entwicklung des Signets vom Handzeichen italienischer
Notare zum Wortzeichen des nördlich der Alpen tätigen Notars vollzieht
sich in strengen, fast gesetzlichen Abläufen, wobei persönliche Originalität
nicht mit Willkür zu verwechseln ist. Vor dem Hintergrund solcher Tatsachen
der Signetführung erweist sich das von Zasius geführte Signet wiederum als
zeittypisch. Der strenge Stil des auf dreistufigem Unterbau stehenden „Zeichens
", meist eines Kreuzes, der kreuzförmigen Monstranz oder des Kelches,
wird in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts vielfach verlassen41, individuellere
Gestaltungen werden üblich. Diesem Zug hat sich Zasius, vielleicht
sogar etwas mehr als sonst zu beobachten, angeschlossen, und wir können -
mit aller Vorsicht - - vielleicht von anklingender Renaissance sprechen, wenn
sich das Signet des Zasius durch eine gewisse Kühnheit in der Linienführung
auszeichnet42. Auffällig ist die Gegenüberstellung von zwei menschlichen Pro-
39a Es ist nachträglich immerhin gelungen, von einigen Floskeln im Zasiusschen Formular her, vor allem
nach der Form der Renuntiationsklausel im Badener Instrument, die Urkunden v. 1492, Dez. 7, und
1495, Febr. 6 (Urk. Stadtarch. Baden II nn. 951, 953), mit Sicherheit Zasius zuzuweisen; sie stammen
auch der Schrift nach von des Zasius Hand. Die gleiche Formelemente aufweisenden Urk. v. 1492,
April 2, und Okt. 13 (a.a.O. II nn. 941, 948), sind nicht von Zäsis Hand geschrieben, vermutlich aber
von ihm diktiert. Bei allen vier Urkunden handelt es sich nicht um Notariatsinstrumente.
40 Beispiele für solche Anlehnung zeigt verschiedentlich das in unserer Forschungsstelle befindliche Material
. So unterscheidet sich z. B. das Signet des Schaffhauser Notars Heinrich Baumann, eines Zeitgenossen
des Zasius, nur geringfügig von demjenigen seines gleichnamigen Sohnes (UR. Schaffhausen
nn. 3964, 4363).
41 Vgl. das Bildermaterial bei Leist a. a. O. (Anm. 36). Jetzt auch H. G e r i g , Das Notariatssignet, in:
Vom Ssp. z. Code Nap. (1961) S. 177 ff. Eine umfassende rechtsarchäologische Untersuchung über den
Bild- und Symbolgehalt des Notarssignets ist von unserer Forschungsstelle unter Mitarbeit von Dr.
W. H. Ruoff in Angriff genommen. Der Verfasser dieses Beitrags hat über die Probleme in einem
Vortrag vor der Antiquar. Gesellschaft in Züridi am 16. 11. 1956 berichtet.
42 Formverwandtschaften zeigen sich an Hand des uns vorliegenden, rund 1000 Signete umfassenden Vergleichsmaterials
etwa mit den Signeten des Johannes Sybolt 1486 (Or. Urk. Germ. Nat.-Museum, Nürnberg
) und des Augsburger Notars Georg Staudenfuchs 1495 (Stadtarch. Nördlingen; dieses allerdings
durch schalkhafte Einsetzung eines Fuchses in das verschlungene Geäst zum „redenden Signet" umgestaltet
).
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