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gendwie ersichtlich oder nachgewiesen ist aber, daß diese Sinnesänderung, wenn
sie zu irgendwelchen Reuchlin günstigen Schritten geführt haben sollte, etwa
auf Veranlassung von Zasius erfolgt ist11.
Die andere Erwähnung von Zasius' Namen in Verbindung mit dem Reuch-
lins scheint mir keine größere Überzeugungskraft für den Bestand einer
Freundschaft zwischen beiden Männern zu besitzen. „Ulrich Zasius ,wünschte es
sehnlichst'", schreibt Geiger, „Reuchlins Verteidigung zu lesen (so schreibt Jacob
Spiegel an Reuchlin Ende 1513) und behielt sie, als Jacob Spiegel sie ihm
darreichte, aber ob er sie nach dem Lesen gebilligt, ist uns unbekannt"12. Geiger,
der diesen nur in der höchst seltenen Sammlung Illustrium Virorum Epistolae
überlieferten Brief Spiegels leider nicht abgedruckt hat, fügt seiner unzureichenden
Inhaltsangabe folgenden Kommentar hinzu: „Am reuchlinischen Streit
nahm Zasius keinen aktiven Anteil; unsere Stelle ist die einzige, die zeigt, daß
er überhaupt dafür Interesse hatte." Mir scheint, daß man aus dieser Stelle und
aus Zasius' Verhalten geradezu auf das Gegenteil schließen darf, daß er nämlich
für den Schriftenstreit ebensowenig Interesse hatte wie für Reuchlins Stellung
in ihm und für die Möglichkeit, diese etwa durch persönliches Eingreifen
zu stärken. Unter den „Capnionis defensores" in den Illustrium virorum epistolae
kommt sein Name nicht vor. Selbst Geiger, der auf ein Interesse bei Zasius
schließt, muß zugeben: „Auch andere, weniger Bekannte wie Beatus Rhenanus
und andere schwiegen, während, was immerhin bemerkenswert ist, die
Schweizer schon damals laut und freudig ihre Zustimmung gaben, ich erinnere
außer an den schon genannten Joachim Vadian noch an Heinrich Loriti Glarea-
nus."
Sollte etwa der Mangel an persönlicher Kenntnis und an wechselseitigen Beziehungen
Schuld daran gewesen sein, daß die beiden fast gleichaltrigen großen
Repräsentanten des deutschen Humanismus sozusagen aneinander vorbeigelebt
habenX In seinem veröffentlichten Briefwechsel erwähnt Zasius den Namen
Reuchlins nur einmal, und zwar in einem Briefe vom 1. September 1519 an das
Haupt der französischen Humanistenschule Gulielmus Budaeus. Er beruft sich
daselbst ganz unpersönlich auf Reuchlins Behauptung, daß Cicero in philosophischen
Belangen ein Nachahmer Piatos gewesen sei13. Die Anführung des
n Baidung ist in den Illustrium virorum epistolae, Hagenau 1519 S. aii f. nicht genannt; siehe die photographische
Wiedergabe in der Festgabe Johannes Reuchlin, Pforzheim 1955, S. 148. Über diese Briefsammlung
Josef Benzing, Bibliographie der Schriften Johannes Reuchlins im 15. und 16. Jahrhundert
, Bad Bocklet — Wien 1955, Nr. 137, S. 42.
12 Geiger, Reuchlin, S. 327; Geiger, Briefwechsel, Nr. 177, S. 208 f. (nur knappe inhaltliche Wiedergabe
); auch zum Folgenden. Bei Stintzing, Zasius, auf den Geiger verweist, findet sich nichts zur
Sache. In den Illustrium virorum epistolae, S. D 4, lautet die Stelle in Spiegels Brief an Reuchlin (aus
Wien, 1513): „Defensionem tuam, qua me nuper donaueras, dum eam Caesari in opido Gislingen post
rem diuinam habitam astante procerum corona propriis manibus obtulisti, praeeeptori meo in sacris
Legum, omnium doctissimo Udalrico Zasio summe id exoptanti Friburgi reliqui sperans, me hie aliam
apud bibliopolam reperire. Sed frustratus mea spe, ex Nundinis Francofordianis per Lucam librarium
ad me ferendum curaui. Sed et hunc conatum frustra habui. Quapropter te per meam erga te obser-
uantiam rogatum uelim, ut in prioris Defensionis locum aliam quam primum cum conimodo tuo fieri
possit, ad me mittere non dedigneris, ut sit perpetuum tui honoris, tui nominis, tuae famae, tuae
gloriae defensandorum pignus quam aretissimum". (Durch freundliche Vermittlung des Herrn Professor
Dr. Hans Lentze in Wien erhielt ich eine Photokopie des Briefes aus dem Exemplare der österreichischen
Nationalbibliothek.) Über Jacobus Spiegel (ca. 1483 — nach 1545) als Reuchlinist siehe
Gustav K n o d , Jacob Spiegel aus Schlettstadt. Ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Humanismus
, I (Beilage zum Programm des Realgymnasiums zu Schlettstadt), Straßburg 1884, S. 32, Anm. 2.
Die daselbst angekündigte Studie über Spiegels Verhältnis zu Reuchlin ist im 2. Teil (Strafiburg 1886)
nicht enthalten und scheint nie veröffentlicht worden zu sein. Wenigstens blieben meine bibliographischen
Nachforschungen ergebnislos.
13 Jos. A n t. Riegger, Udalrici Zasii Epistolae ad viros aetatis suae doctissimos, Ulm 1774, S. 476:
»Sin vero mimum aliorum velis auetorum, ita non inficior, ut etiam ea de re mihi gloriari possim;
doctissimorum enim virorum exemplo defendor. Nam quid aliud; si illustri Joanni Capnioni credimus,
Cicero in philosophicis fuit quam Piatonis mimus." Bei Geiger, Reuchlins Briefwechsel, S. 209,
Anm. 2, wo die Stelle kurz erwähnt ist, steht statt „mimus" „animus", offenbar ein übersehener
Drucklehler.
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