http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1961/0069
ihn nicht entfernt habe, wurde ihm vorgehalten. Keller zog sich schließlich als
Pfarrer von Grafenhausen bei Bonndorf ins Kapitel Stühlingen zurück. Dort
setzte ihn Wessenberg bei dem Ableben des Dekans als Dekanatsverweser ein,
um dem als „mönchisch" verschrienen Kapitel einen anderen Geist zu geben.
Diese von Wessenberg häufig geübte Praxis, die Rechte der freien Dekanatswahl
in den Kapiteln zu mißachten, um einen Mann seines Vertrauens in die
Führung zu bringen, stieß bei diesen vielen ehemaligen Klostergeistlichen auf
harten Widerstand. Sie ertrutzten sich schließlich mit Hilfe der Karlsruher Regierung
eine freie Wahl. Keller verließ tief verärgert die Gegend und wurde
Pfarrer von Pfaffenweiler bei Freiburg. Seine Briefe an Wessenberg verraten
nicht viel Zufriedenheit; selbst mit dem Gesinnungsgenossen Jäck im nahen
Kirchhofen wollte es nicht zu einem guten Verhältnis kommen. Er starb 1827
nach einem schweren Leiden. Monate vor seinem Tod hielt er die letzte Predigt
über das Thema „Man soll den Tod nicht fürchten"22.
Nicht wenig Freunde hat Wessenberg unter dem Seelsorgerklerus der Stadt
Freiburg selbst gehabt; weniger unter den Münsterpfarrern als an denen der
(damals einzigen weiteren) Pfarrei St. Martin. Am Münster waren Galura23,
der später Regierungsrat, endlich Fürstbischof von Brixen wurde (gest. 1856),
Carl Schwarzel24, der schon als Professor für Pastoral an Ritualtexten für
Wessenberg gearbeitet hat, schließlich Bernhard Boll25, ein ehemaliger Cister-
zienser in Salem. Er war länger schwankend; doch schließlich hat er öffentlich
eine Unterschrift unter eine Vertrauenskundgebung für Wessenberg widerrufen
. Trotzdem hat ihn Wessenberg weiterhin als Gutachter verwendet. Er
wurde der erste Erzbischof von Freiburg, zaghaft und bedrängt, ohne Hinneigung
, aber auch ohne Gegnerschaft zu Wessenberg. St. Martin hatte von
1790 bis 1810 einen radikalen Staatskirchler zum Pfarrer, Johann Baptist
Ignatius H ä b e r 1 i n 2ß. Er ging von hier aus nach Karlsruhe als Ministerialrat
und hat seine Gedanken eines hemmungslosen Staatskirchentums in einer
(anonymen) Schrift 1812 niedergelegt „An die Souveräne der rheinischen Con-
föderation". Obwohl Wessenberg nicht solch extreme Einstellungen teilen
konnte, hat Häberlin auch weiterhin viel mit ihm zusammengearbeitet. Sein
Nachfolger in St. Martin wurde für fünf Jahre Galura; nach dessen Abgang
kam Johann Nepomuk Biechele27, der seit bald 20 Jahren in Rotweil a. K.
vertrauter Helfer Wessenbergs im Kapitel Endingen war. 1812—1815 hatte er
es als Stadtpfarrer in der neuen Pfarrei Karlsruhe versucht, ging aber freudig
nach Freiburg. Wessenberg hätte ihn gerne im neuen Domkapitel gesehen; man
nahm ihn aber nicht. Die Anfänge der Freiburger Erzdiözese erlebte er nicht
lange mit, er starb 1829. Ferdinand Geminian Wanker28, Professor für Moral
an der theologischen Fakultät, war eng mit ihm befreundet. Dieser edle, aber
zu nachgiebige Mann war als erster Erzbischof vorgesehen, unterschrieb jedoch
unklugerweise Verpflichtungen, die ihm von Staatsorganen vorgelegt wurden.
Darauf lehnte ihn Rom ab. Bevor dieser Streit entschieden werden konnte,
starb er (1824). Andere Professoren der Fakultät wie Schnappinger und
22 Freundliche Mitteilung des Herrn Pfarrers K. Deichelbohrer, Pfaffenweiler.
23 Bad. Biogr. I 276: LTI1K2 IV 508 f
24 Jos. Müller, Der Freiburger Pastoraltheologe Carl Schwarzel. Diss. theol. Freiburg 1959 (Maschinenschrift
).
25 L Th K 2 570.
20 Bad. Biogr. I 325; ADB X 276.
27 Bad. Biogr. I 83.
28 W. Heinen. Die Anthropologie in der Sittenlehre F. G. Wankers, Freiburg 1955, mit Lit.
67
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1961/0069