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kirch gestattet. Für die wirtschaftsgeschichtlichen Zusammenhänge erscheint vor allem
die Feststellung wichtig, daß eben zu der Zeit, da böhmischer Granat als hauptsächlicher
neuer Rohstoff in den Breisgauer Schleifereien die Achat-, Chalzedon- und
Amethystverarbeitung zurückdrängt, die große Entfaltung der Achatschleiferei im
Saar-Nahe-Gebiet anhebt, aus dem die Freiburger bis dahin die rohen Achate bezogen
haben. Wobei zugleich interessiert, daß die erste der dortigen Schleifereien im 15. Jahrhundert
von Freiburger Schleifern eingerichtet wurde, das heute weltbekannte Idar-
Oberstein seine Anfänge mithin Freiburger Edelsteinschleifern verdankt, wie nicht
anders auch die spätere böhmische Granatschleiferei.
Einblick in die verwendeten Rohstoffe geben nicht allein die Quellen, welche die
Bruderschaft der Borer, Balierer und Hohlwerker betreffen. Gelegentliche Funde an
Stätten einstiger Schleifereien zeigen denselben Querschnitt des in den Quellen genannten
hauptsächlich verwendeten Materials. Dem von Rudolf Metz erwähnten Fund
durch Klaus Burgath im Jahre 1955 gesellt sich ein zweiter, dessen Material Rudolf
Yfaier für künftige Auswertung liebenswürdigerweise zur Verfügung stellte. Es handelt
sich um eine ob ihrer örtlichkeit und ihrer Datierbarkeit ins frühe 16. Jahrhundert
äußerst wichtige Schuttfüllung im Keller des ehemaligen Heiliggeistspitals,
an dessen Stelle im Freiburger Häuserstandsbuch 1559 der Ballier Bruderschaft zum
alten Lämmlein genannt wird (freundlicher Hinweis von Werner Noack). Eben die
in den älteren Berichten genannten gebräuchlichen Rohstoffe kehren da wieder,
mengenmäßig der in den Quellen angeführten Rangfolge entsprechend, und zwar
Chalzedon und Bohnerzjaspis mit ungefährem Mengenanteil von 65, Achat und
Karneol von 25 Prozent; der Rest verteilt sich auf Quarzkristalle, Opal, Gangquarz
und Amethyst.
Die sich ergebenden weitreichenden Beziehungen und die einzigartige Bedeutung
dieses einstmals so berühmten Freiburger Luxusgewerbes sind in der Tat erstaunlich.
Es sieht so aus, als wäre Freiburg in der Blütezeit des Handwerks die wichtigste
deutsche Edelsteinschleiferstadt gewesen. Zu den vielen darauf hinweisenden und
von Rudolf Metz nunmehr übersichtlich zusammengestellten Dokumenten zählen auch
die alten Hausnamen, deren einige vornehmlich aus dem 16. Jahrhundert man in
dieser Abhandlung mit besonderem Genuß liest, weil sie uns die Edelsteinschleiferstadt
gleichsam wieder gegenwärtig werden lassen: Zum Karfunkel — Zum Granaten
- Zum Jaspis — Zum Kristall — Zum Kristallenberg — Zum Bohrtisch — Zur Ballierschleife
— Zum Rosenkranz — Zum Paternoster usw.
Ebenso überrascht, daß dies als selbstverständlich Arorausgesetzte Gewerbe bis in
die Neuzeit hinein im Grunde auf wenige Zentren beschränkt blieb. In einer der von
Rudolf Metz beigegebenen aufschlußreichen Übersichtskarten sind die wichtigsten
Plätze mitteleuropäischer Edelsteinschleiferei bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts eingetragen
. Ihre Anzahl ist merkwürdig gering, ihre Bedingungen sind denkbarst verschieden
. Die an Fürstenhöfe gebundenen Hofwerkstätten, wie Prag, Wien, München,
liegen von ihrer Struktur her auf anderer Ebene. Nürnberg, Schwäbisch-Gmünd und
die Schleifereien im Saar-Nahe-Gebiet treten weit hinter der Bedeutung Freiburgs
und Waldkirchs zurück. Einzutragen wären noch die sächsischen Schleifereien —
nach Ausweis ihrer kunsthandwerklichen Erzeugnisse allenfalls ein Korrelat zu dem
aus Freiburg und Waldkirch Vertrauten. Vor der Freiburger Blütezeit des Handwerks
^s•aren Venedig, nach ihm Paris und die große Unbekannte, die jene Kleinodien
wahrhaft fürstlicher Prägung für den burgundischen Hof lieferte, die Kapitalen dieses
vornehmen Luxusgewerbes. Wüßten wir über die äußeren Umstände all dieser europäischen
Edelsteinschleifereien (außerhalb der fürstlichen Hofwerkstätten) nur annähernd
so viel wie nun über die wirtschaftsgeschichtlichen Bedingungen und die
Struktur der Freiburger Bruderschaft, dann würde sich vielleicht auch eine Antwort
auf die noch offene Frage nach den Anfängen der Edelsteinschleiferei in Freiburg
ergeben. Denn erlesene Kunstwerke scheinen ihren Bestand schon zu einer Zeit zu
dokumentieren, da die Interpretation der spärlichen Quellen zu der nötigen Vorsicht
Anlaß gibt, welche Rudolf Metz ihnen entgegenbringt.
Anton Legner
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