http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1962/0080
Zasius, der von ihnen in der ganzen Vorrede ebensowenig mit Namen genannt
wird, wie die anderen Berater, von dem aber jeder Leser damals wußte, daß
er nicht mir ein berühmter Rechtsgelehrter, sondern auch des Rates verpflichteter
Rechtskonsulent gewesen ist. Ja, an Hand des ersten handschriftlichen Entwurfs
(wo es „mit rat der rehtgelerten" heißt), läßt sich mit Sicherheit entgegen
Schreibers Meinung nachweisen, daß es sich hier ursprünglich gar nicht um
Dr. Hieronymus gehandelt haben kann. Der erste Entwurf der Vorrede,
in dem wir das Wort von den Rechts gel ehrten zum ersten Male finden, ist
nämlich vor dem 24. Juni 1517 abgefaßt und geht mithin der Mitarbeit Baidungs
in Ensisheim (Winter 1517/18)18 oder in Innsbruck (wo er sich seit dem Frühjahr
1518 befindet) zeitlich um viele Monate voraus!
Zäsis Leichenrede auf den Tod Maximilians
Wir haben oben (S. 77) gesehen, wie der Konzipient der Vorrede rechtzeitig
bemerkt hat, daß seit dem Tode Maximilians (12. Januar 1519) mit einer Bestätigung
seitens dieses Kaisers nicht mehr zu rechnen sei, und daß er deshalb die
Worte „ir keyserlichen majestat verwilligung" gestrichen hat und beim
genauen Studium der gedruckten Stadtrechtsvorrede mit ihren drei Vorentwürfen
stiegen uns berechtigte Zweifel auf, ob man noch weiterhin von den angeblichen
Verdiensten Maximilians um das Freiburger Stadtrecht wird reden
dürfen19.
Aber freilich kann uns ein Zeugnis entgegengehalten werden, das alle unsere
Bedenken zu entkräften scheint. Und dazu handelt es sich (um es rund heraus
zu sagen) um den Kronzeugen, der es am besten gewußt haben muß, weil das
Neue Stadtrecht ja vornehmlich sein Werk sein soll. Der erste, der die Verdienste
Maximilians um die Entstehung des Freiburger Neuen Stadtrechts
rühmt, ist nämlich niemand anders als Zasius selbst!
Man kann es heute noch nachlesen in seiner gedruckten Leichenrede auf den
Tod Kaiser Maximilians. In unvergleichlichen Worten erinnert der geübte
Humanistenredner und große Jurist seine Freiburger Zuhörer daran, wie sehr
der Verstorbene sie geliebt habe, die er seine „getreuesten Bürger" zu nennen
pflegte, so oft er von ihnen sprach, und zu deren Nutzen und Vorteil er „großartige
Reichstage" (!) hier abgehalten habe oder für die er mit herzlicher Bereitwilligkeit
ihr neues Stadtrecht (civilia vestra statuta) habe „einrichten,
ergänzen, aufstellen und bestätigen" lassen20.
Natürlich können diese Angaben Zäsis nicht aus der Luft gegriffen sein -
und wir müssen uns wohl vorstellen, daß eine der vielen Rollen, in denen sich
der verstorbene Kaiser bei Lebzeiten hat bewundern lassen, auch die des
gütigen Landesvaters gewesen ist21. Aber entsprechen die Angaben des Redners
18 Vgl. das oben unter I abgedruckte Sdireiben.
19 Schon Heinrich Ulmann, K. Maximilian 2 (1891), 614 hat davor gewarnt, jede kleine Bevorzugung, die eine
oder die andere Stadt erfuhr, auf die persönlidie Rechnung des Kaisers zu setzen!
20 Udalridü Zasii oratoris et iureconsulti oratio Friburgi in funere D. Maximiliani imp. aug. habita (Basel
Johann Froben Mai 1519), S. 9.
21 Vgl. Heinrich Ulmann, K. Maximilian 1 (1884), 189: In hohem Grad war ihm der althabsburgische Familienzug
gnädig-leutseliger Herablassung eigen." Wie er im innersten Herzen über seine reditsrheinisdien
Untertanen gedacht hat, erweist am besten die ihm zugeschriebene veräditlidie Bemerkung über ..diese
viehischen dummen Deutschen" (questi bestiali Tedeschi!) Haller, Epochen (1923), 174. Ganz ähnlich
schreibt auch der vom Niederrhein stammende Student Degenhard Haefl am 4 . 6. 1526 an Bonifaz Amer-
bach, indem er das Festhalien der Deutsdien an ihrer angestammten Art tadelt: „Nescio quo facto vel
qua inclementia planetarum acciderit nobis inesse quiddam contemptus aliorum nobisque placere nostros
rigidos ac barbaros mores, ita ut nullorum institutiones vitae admittamus. Qnare mihi non absurdum
videtur nos aliquoties bestias ac barbaros ab istis vocari." Amerbach Korr. ed Hartmann 3 (1947), 170.
78
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1962/0080