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rohen und gehechelten Hanf. Zu den 19 Bau mwoll Webstühlen in Emmendingen
kommen noch sieben in Köndringen und je zwei in Eichstetten und Malterdingen
.
Für diese 30 Stühle braucht Vogel 30 Weber und 60 Personen zum Spulen
und Zetteln, dazu 300 Spinnerinnen, also annähernd 400 Leute.
Dazu kommt nun noch die Hanfverarbeitung, für die Vogel im vorangegangenen
Winter mehr als 300 Personen als Hechler, Brecher, Spinnerinnen
und Weber beschäftigte. Es könnten aber leicht 600 werden, wenn Landesherr
und Regierung ihn unterstützen würde. Die Freunde in Zürich, Genf, Marseille,
Toulon, Ronen u. a. könnten beträchtliche Aufträge erteilen.
Von der Behandlung der Waisenkinder, ihrer Wartung und Pflege war der
Visitator sehr befriedigt. Besonders gefiel ihm die Fertigkeit einiger Kinder
im Weben.
Da zunächst ein weiterer Staatszuschufi nicht zu erlangen war, nahm Vogel
zui' Stärkung seiner Betriebsmittel am 22. Februar 1786 die Gebrüder Godding
aus Maastricht, die durch ihren Stiefvater Jakob Hertner vertreten wurden,
als Gesellschafter mit halbem Anteil auf. Sie schießen 1000 neue Louisdor
(10 000 fl.) ein. Vogel behält für sich nur die Baumwollhandlung, alles übrige
gehört der Firma Vogel & Cie, für die er selbst zeichnet.
Nach dem ersten ausführlichen Bericht der schon erwähnten Fabriken-
Commission vom 26. Mai 1786 waren im Waisenhaus 43 Kinder, acht erwachsene
Spinnet- und Weber, ferner Aufseher, Lehrmeister und Schullehrer tätig. Aiißer
dein I laus spannen 104 Familien Hanf und 320 Baumwolle. Dazu kamen
20 bis 30 ständig beschäftigte Weber, fünf Seilermeister mit ein bis zwei Gesellen
und 20 bis 30 Taglöhner zum Brechen, Hecheln usw. Seit Geschäftseröffnung
waren 40 Ballen Baumwolle für 6840 fl. eingekauft und dafür an
Spinner- und Weberlöhnen 6791 fl. ausgezahlt worden. An Hanfwaren, wie
Leinwand, Zwilch, Drilch, Bindfaden und Garn, wurden 55 025 Pfund verarbeitet
. Im LIandel wurden über 6000 Maß Kirsch- und Zwetschgenwasser für ca.
6000 II. umgesetzt und 262 Sester11 gedörrte Zwetschgen für den Weiterverkauf
erworben. Der Fruchtverkauf in die Schweiz erbrachte rund 1000 fl. Provision.
Insgesamt luvt der Unternehmer in den beiden Jahren gegen 50 000 fl. in Umlauf
gebracht. An Aufträgen lagen vor: aus Schaff hausen Reiste12, ebenso aus
Düsseldorf, aus Krankfurt Drilch, aus Mülheim-Ruhr Hanf, aus Würzburg
Garn, Reiste und Leinwand, aus Straßburg Drilch, aus Nizza Leinwand und
leinene Strümpfe und aus Toulon Bindfaden.
Daß Samuel Vogels und Schlossers Spinnanstalt weit über ihren Heimatbezirk
hinaus Beachtung gefunden hat, erhellt aus einem vom Juni 1787 datierten
Bericht im „Journal von und für Deutschland"13, betitelt „Zuverlässige
Nachricht, von der, durch Herrn Hofrath Vogel, in Emmendingen, in der Markgrafschaft
Hochberg errichteten Spinn- und Weberey, als ein getreuer Auszug
aus den Büchern dieser Fabrike." Es dürfte sich lohnen, diesen öfters zitierten,
aber nicht leicht zugänglichen Aufsatz wörtlich, aber in moderner Rechtschrei
hu ng wiederzugeben:
„Freunde und Gönner veranlaßten den Herrn Hofrat Vogel im Jahr 1783
sich lieher in Emmendingen als in einem anderen Ort mit seinen Anstalten
niederzulassen. End noch bereut er es nicht, unter einem der mildesten und
11 I Maß = 1,5 Liter. 1 Seslor = 15 Liter.
12 Reiste, alemannisch Rüste: nach Hebel der /um Spinnen fertige Hanf oder Flachs.
13 VI. Stück S. 555—555.
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