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Neue Beiträge zur südwestdeutschen Landesgeschiclite — Festschrift für Max Miller —
Dargebracht von Freunden und Kollegen - - (= Veröffentlichungen der Kommission
für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg. Reihe B, Forschungen,
21. Band), W. Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 1962. 359 S.
Zum sechzigsten Geburtstag am 17. Oktober 1961 haben Freunde, Kollegen und
Mitarbeiter Herrn Prof. Dr. Max Miller, Direktor des Hauptstaatsarchivs in Stuttgart
und Referenten für das Archivwesen im Staatsministerium, eine Sammlung von
Manuskripten auf den Gabentisch gelegt. Die Beiträge der Festgabe reichen von der
Karolingerzeit bis ins 20. Jahrhundert, behandeln Probleme der Urkundenforschung
und Quellenkritik, der Heraldik und der Archivgeschichte und befassen sich mit
Fragen der Wirtschafts- und Sozialgeschichte, der Rechts-, Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte
, der Kirchengeschichte, der Volkskunde und der Kunstgeschichte.
Unter den 23 in der Festschrift enthaltenen Beiträgen sind zwei, die den Breisgau
•unmittelbar berührende Themen behandeln. Martin Well m er, Oppidula sive
casalia (S. 55—59), geht aus von Mones Bemerkung in seiner „Urgeschichte des
badischen Landes" (1845), daß bei den Römern die Dörfer oppida genannt wurden,
und daß diese Wortbedeutung auch im Mittelalter am Boclensee und im Breisgau
vorkam. Ein oppidulum war nach Mone ein Weiler, nach Poinsignon besaß er eine
Unimauerung. Wellmer ist nun der auffallenden Doppelbezeichnung oppidula sive
casalia nachgegangen und hat im Breisgau folgende Beispiele aus Berainen des
14. Jahrhunderts zusammengetragen: zwei Höfe in Hagstal (Hasgelhöfe in Au bei
Freiburg), drei Höfe in Aspen (im Vierdörferwald bei Emmendingen), vier Höfe in
Burg und je etwa fünf Höfe in Bilclstein (im Freiamt) und in Dietenbach (Gemeinde
Kirchzarten). Für die Deutung wesentlich war die Feststellung Wellmers, daß dieses
Wortpaar nur in Zisterziensertexten auftauchte. Die französischen Zisterzienser
gebrauchten die Bezeichnung für ihre Grangien, die wegen der Unsicherheit der
Verhältnisse befestigt waren. Von Frankreich aus hat sie auch in deutschen Zisterzienserklöstern
Eingang gefunden.
Wolfgang Müller, Pfarrei und mittelalterliche Stadt im Bereiche Südbadens
(S. 69—80), stellt die Frage nach der Rolle der Pfarrei in der mittelalterlichen Stadt.
Er weist ciarauf hin, daß die Forschung diesem Problem in allgemeinen Darstellungen
kaum Aufmerksamkeit geschenkt habe. Das ist um so erstaunlicher, als nicht nur in
gewachsenen, sondern auch in geplanten Stadtanlagen vielfach mit einer bereits vorhandenen
Kirche (einer Eigenkirche der Stadtherren im Zusammenhang mit einem
herrschaftlichen Hof oder einer Burg) als vorgegebener Größe gerechnet werden
muß. Der Verfasser untersucht die räumliche Lage von Pfarrkirche und Stadt in ihrem
Verhältnis zueinander. Zahlreiche Beispiele sowie zehn Grundrißzeichnungen und
Abbildungen erleichtern es dem Leser, seinen Ausführungen zu folgen. Aus der Fülle
der Erscheinungsformen abstrahiert der Verfasser ein System, das nicht nur für die
Geschichte der Pfarreien, sondern auch für die allgemeine Städtegeschichte von
Bedeutung ist. Zwei Drittel der mittelalterlichen Pfarreien in Südbaden lagen in
bezug auf die Städte extramural. Entweder war eine andere Siedlung Mittelpunkt
der Pfarrei (Fernlage) oder das meist namengebende Dorf, das unmittelbar anstieß,
wie in Waldkirch, wo die Leutkirche St. Walburg im Stiftsbezirk vor der Stadt lag
(Tangentiallage). Wenn einer angelegten Stadt erst nach längerer Zeit eine Pfarrkirche
zugestanden wurde, konnte diese Kirche oft nur noch am Rande der Stadt
Platz finden. Hier ist dann die Randlage ein typisches Zeichen für das späte Hereinholen
der Kirche in den städtischen Bereich. Aus der Lage einer Kirche bei einem
Herrensitz mußte nicht notwendig eine Randlage in der späteren Stadt folgen; es
konnte daraus ebensogut eine Zentrallage (Blumenfelcl) resultieren. Als Muster für
die zentrale Lage einer Kirche auf Grund zentraler Einplanung bei der Anlage einer
Stadt gilt das Münster der Zähringergründung Freiburg. Aus diesen topographischen
Überlegungen hat der Verfasser geschlossen, daß sich Dorf- und Stadtkirche rechtlich
keineswegs unterschieden. Die vom Eigenkirchenrecht bestimmten Verhältnisse
ließen lange nicht zu, daß (durch seelsorgerliche Erfordernisse bedingte) Neugrün-
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