http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1963/0106
Hier hat jede Deutung des Aschermittwochbraiichtums, auch des in rein
weltliche Umgebung gelangten, anzusetzen und von hier aus gewinnen wir auch
wichtige Ansätze für die Sinngebung des Schurtages. Als Beginn der Fastenzeit
kommt dem Aschermittwoch in einer Zeit, die es mit den Fastengeboten bitter
ernst nahm, für das mittelalterliche Denken große Bedeutung zu. Er ist ein
wichtiger Abschnitt des Kirchenjahres und zugleich Wendepunkt in der persönlichen
Haltung des Gläubigen, an dem sich Freud und Leid, Ausgelassenheit
und Ernst merkwürdig zusammenfinden. Um sich körperlich und moralisch für
die Fastenzeit zu stärken, erhalten am „Aschtag" selbst in den Klöstern die
Konventualen ihre Zulage, z. B. der Konvent des Zisterzienserklosters Raitenhaslach
nach einem Seelgerät vom Jahre 1300 ein Reichtum an Fischen47. Die
Zäsur geht in weltliches Denken über, wenn Fastnacht zum wichtigen Leistungstermin
wird, übrigens, wie wir sehen werden, auch in Elzach selbst48. Der Fronfastentag
erinnert an die Fronpflicht gegenüber Herrschaft und genossenschaftlichem
Verband, wobei sich schon vom Sprachlichen her die Vorstellungen
merkwürdig kreuzen49; er wird zum Tag der Reichnisse und mehr oder minder
üppiger Gaben50, die als „Zeichen", d. h. als Anerkennung für die erbrachte
Fron- oder sonstige Leistung gegeben und gedeutet werden. Damit sind wir
bei jenem Fron zeiche n31 angelangt, das vielfach beim oberrheinischen
Schurtag und ganz besonders, wie wir sehen werden, in Elzach eine bedeutsame
Rolle spielt. So können sich Fronzeichen und Schurtag eng miteinander verbinden
, ja, geradezu Synonyme werden.
Warum nun aber „Schurtag?" Wie kommen Aschermittwoch und Fronfastentag
samt dem an ihm gegebenen Fronzeichen zu dieser Bezeichnung?
Das führt uns in philologische Bereiche, zu deren Erläuterung wir nur insoweit
sachlich legitimiert sind, als es sich um den quellenmäßig zu erhärtenden Zusammenhang
mit dem Aschermittwoch handelt. Denn hier treffen sprachliche
und gegenständliche Erscheinungen in höchst merkwürdiger Form zusammen:
der anderswo, vor allem im bayerischen Gebiet, vorkommende S c h a u (e) r t a g
braucht durchaus nicht identisch zu sein mit unserem Schwarzwälder Schur-
t a g. Das Wort schau(e)r bedeutet von Hause aus Hagel, Frost, im übertragenen
Sinn dann aber zugleich bedrückende Überraschung; in Worten und Wendungen
wie „schauerlich", „heiliger Schauer" usw. ist einiges davon in unseren
Sprach- und Denkformen erhalten geblieben52. Wortkomposita wie „Schaueramt
" (Messe mit Fürbitte gegen Hagelschlag), „Schauerkerze" (altbayerisch
die Wetterkerze), „Schauerläuten" (Geläute gegen Hagelwetter), „Schauerkreuz
" (Abwehrzeichen gegen Hagel) geben den ursprünglichen Sinn noch ganz
unmittelbar wider53. „Hagelfreitag", auch „Schauerfreitag" genannt, ist dann
der in der Bittwoche um Christi Himmelfahrt gelegene Bet- und Bitt-Tag54;
47 Urkunden d. Klosters Raitenhaslach, bearb. v. E. Krausen (= Quellen u. Erörterungen z. bayer. Gesch.
NF. XVII/1, 1959), S. 407 f.
48 Vgl. die Belege unten Anm. 97 ff.
49 Zum Wort fron in seiner doppelten sprachgeschichtl. Herkunft vgl. Kluge-Mitzka, Etymol. WB. d.
dtsch. Sprache (14. Aufl., 1957), S. 220.
50 Art. Fronfasten (Sartori) im HWB. d. dtsch. Aberglaubens III, Sp. 115 ff. TL Knapp, Das wttbg.
Hofgericht zu Tübingen, Savigny-ZRG. 48 germ. Abt. (1928), S. 6 f. (Fronfasten- u. Quatembergerichte).
Uber Spendenverteilungen an den Fronfasten auch M o n e , ZG Oberrhein 7 (1856), S. 261.
51 Die Belege im Dtsch. Rechtswörterbuch III, Sp. 1013, gehen in andere Richtung. Dazu Fischer,
Schwab..WB. VI, Sp. 1954.
52 Kluge-Mitzka, Etymol. WB. Art. Schauer, S. 639.
53 Buchberger, Lexikon f. Theol. u. Kirche IX (1937), Sp. 222; VI (1954), Sp. 247.
54 HWB. d. dtsch. Aberglaubens III, Sp. 1315 ff.
106
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1963/0106