http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1964/0022
Vogt, dem Heimburger und zwölf gewählten Richtern als geschworenen
Schöffen bestand und nach Bedarf zusammentrat, wobei der Vogt den herrschaftlichen
Stab führte und das Urteil sprach23.
Mit dem Niedergericht waren verbunden „Zwing und Bann", das ist das
Recht, die für die landwirtschaftliche Ordnung erforderlichen Gebote und
Verbote unter Androhung einer Strafe zu erlassen. Dieses „Gebott und Verbott
" wurde schon früh auf alle Angelegenheiten, die mit des Dorfes Nutz
oder Schaden irgendwie in Zusammenhang standen, ausgedehnt. Sie sind zum
Teil enthalten in der von den Gemeinen Teilherren festgesetzten Dorfordnung
vom Jahre 1484, welche, nach dem Dreißigjährigen Krieg 1651 erweitert,
nicht nur für Ordnung unter den Untertanen, sondern auch unter den Teilherren
sorgte. Diese Dorfgesetze wurden jedes Jahr auf dem Frevelgericht
den Untertanen verkündet, und auf sie alle Einwohner vereidigt. Manches
mußte immer wieder verboten werden, wie z. B. 1664 das Trinken bis spät in
die Nacht hinein oder das Schelten und Schwören; 1665: „das Tabaktrinken
(= Pfeifenrauchen) soll bei Straf einer Kronen fürohin verboten sein"; 1666:
„Hecheln bei Ticht in den Scheuern verboten"24.
Alle Übertretungen wurden gewöhnlich vom Ortsgericht behandelt, mit
Geld gebüßt oder geahndet, welches hernach den Teilherren gemäß ihren
Anteilen zukam. Denn „Gemeine Teilherren haben die Frevel, Bueßen, Unrecht
und Ainungen zu Riegel allein einzunehmen, wie vor alters Herkommen
" (1575, 1715). Mit „Ainungen" sind die kleinen orts- und feldpolizeilichen
Übertretungen gemeint25.
Für schlimmere Frevel gab es aber auch Gefängnis, die beschämende
Strafe am Pranger besonders für das weibliche Geschlecht bei übler Nachrede
und Streitereien. „Mit der Geigen unter der Linden stehen" vor dem
Gemeinteilherrenhaus (= am Platz des heutigen Rathauses) am Marktplatz!
Die Füße wurden in einen Block gesteckt, Kopf und gefaltete Hände dagegen
in eine geigenartige Zange getan, so daß die Übeltäterin sich den Spott aller
Vorübergehenden gefallen lassen mußte. Manchmal kamen zwei gegenseitige
Übeltäterinnen in eine Doppelgeige, so daß sie stundenlang einander anschauen
mußten. Es gab auch körperliche Züchtigung mit Ruten, Ausweisung
aus dem Gerichtsbezirk, Arbeitsstrafe, z. B. Holz machen im Teilherrenwald,
Abgabe von Wachs an die Kirche. Manche mußten an einem bestimmten Sonntag
unter Aufsicht vor die Kirche stehen mit einer Tafel vor der Brust mit der
Inschrift: „Du sollst nit stehlen!" oder: „Du sollst nit ehebrechen!", und das
schließlich noch mit brennender Kerze in der Hand. Im Jahre 1661 trugen die
Teilherren der Gemeinde auf, „ein Trüll" (= Drille) zu machen zur Zucht
der Ungezogenen. Sie war ein auf einem Zapfen stehendes, drehbares Lläus-
lein, in welchem Übeltäter strafweise herumgedreht (gedrillt) wurden.
Wer mit Recht glaubte, ungerecht verurteilt worden zu sein, konnte vom
Niederen- oder Fleckengericht an den jeweiligen Verseher und von diesem
an die vorderösterreichische Landesregierung appellieren. Aber schon 1481
wurde die freventliche Berufung an eine höhere Instanz, die von dieser als
23 Der Vogt (= herrschaftlicher Ortsvorsteher) änderte das Gericht alljährlich auf Martini, behielt 6 Richter
bei und ließ durch sie 6 Ergänzungsrichter wählen (O 1484, Kap. 20). Von 1651 ab ernannte aber die
Herrschaft das Gericht.
24 St.—Hecheln heißt, die Faserstengel von Hanf und Flachs über mit Stahlspitzen besetzte Hechclfclder
ziehen, sie dadurch auflösen und von Unreinheiten und kurzen Fasern (Werg) befreien.
25 Vgl. O 1484, Kap. 9, und 1651, Kap. 10.
20
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1964/0022