http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/schauinsland1965/0016
erwähnt, daß keine Örtlichkeit in Freiburg so häufig in den mittelalterlichen
Quellen genannt wird wie die Gerichtslaube. Es muß sich also um einen allgemein
bekannten Ort gehandelt haben, für den eine nähere Bezeichnung
der Lage deshalb gar nicht notwendig war. Nur eine einzige Quelle gibt es,
in der die Gerichtslaube relativ genau lokalisierbar ist, weil sie zur Lagebezeichnung
von zwei topographisch festlegbaren Brotbänken aufgeführt wird.
Es handelt sich um das Adelhauser Urbar von 1423. Dort heißt es: „Item ein
brotbanck lit bi der gerichtlouben an dem vischmerket und ist eine ortbanck" ...
„item ein brotbanck, lit ze liehest an dem selben banck und lit an der gerichtlouben
"20. Auf das Problem der Brotbänke werden wir noch zurückkommen.
Durch die Erwähnung des Fischmarktes, jenes am späteren Bertoldsbrunnen
gelegenen Teiles der heutigen Kaiser-Joseph-Straße, ist, so sollte man annehmen
, der Ort der Gerichtslaube eindeutig festgelegt. Hefele und Geiges
haben diese Quelle wohl gekannt27. Beide erwähnen sie nämlich ausdrücklich
in ihren bereits zitierten Aufsätzen. Durch diese Nachricht wird also entweder
um 1423 die Annahme von zwei Gerichtslauben, nämlich einer auf dem Fisch-
markt und einer zweiten auf dem Rathaushof notwendig, oder eine von beiden
Lauben hat im Jahre 1423 nicht bzw. noch nicht bestanden. Da die Laube auf
dem Fischmarkt nicht weggeleugnet werden konnte, sind Hefele und Geiges
auf einen anderen Ausweg verfallen, der die auch von ihnen geteilte These
von der Gerichtslaube auf dem Rathaushof zu sichern versprach. Sie haben
die Angabe des Adelhauser Urbars so erklärt, daß die Bezeichnung „bei der
Gerichtslaube" hier als reine Ortsbezeichnung aufzufassen sei. Die Gerichtslaube
habe wahrscheinlich in ganz früher Zeit einmal beim Fischmarkt gelegen
. Später sei sie an die bekannte Stelle auf dem Rathaushof verlegt
worden. Nur die Bezeichnung „bei der Gerichtslaube" sei an einem Ort auf
dem Fischmarkt haften geblieben, während die wirklich benutzte Gerichtslaube
seit etwa 1260 hinter dem jetzigen Rathaus ihren Platz gehabt habe.
Diese Hypothese ist, wie wir noch zu zeigen haben werden, durch nichts
gerechtfertigt. Sie ist vielmehr gerade für Geiges, der ihr Initiator war, charakteristisch
, hat er doch, wie wir ebenfalls noch zu zeigen haben werden, eine
andere Nachricht über die Ratsstube so verkürzt wiedergegeben, daß entscheidende
Angaben — vielleicht, weil sie sich nicht mit der aufgestellten Theorie
vertrugen — einfach unter den Tisch gefallen sind28.
Unsere Zweifel werden also bestätigt, denn will man an der allgemein
vertretenen Deutung des Bauwerkes auf dem Hof des Rathauses als Gerichtslaube
der Stadt festhalten, so ergeben sich eine Reihe von Ungereimtheiten
und Widersprüchen. Versucht man diese zu klären, dann muß man sich — was
bisher nicht geschehen ist bemühen, ein Hauptgesetz jeder historischen
Forschung zu berücksichtigen. Es lautet, daß bei der Bearbeitung historischer
Probleme möglichst alle irgendwie in Frage kommenden Quellen heranzuziehen
sind. Angesichts der außergewöhnlich zahlreichen Nachrichten, in denen
Gerichtslaube und Rathaus der Stadt Freiburg als Beurkundungsort genannt
werden, können auch wir freilich nicht absolut sicher behaupten, daß wirklich
alle zwischen 1280 und 1500 vorkommenden Erwähnungen erfaßt worden
26 StA B 17, Bl. 100.
27 Hefele, Pranger a. a. O. S. 58; Geiges, Freiburger Rathaus a. a. O. S. 31.
-8 Vgl. unten S. 42.
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