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den er noch selbst sich zum Nachfolger im Herzogtum gesetzt hatte, ihm in
einem vorzeitigen Tode folgte (1090). Das politische Erbe des Gegenkönigtums
hat Bertold jedoch nicht übernommen, sondern die Führung des Widerstandes
gegen den König mehr und mehr anderen, vor allem Herzog Weif, überlassen,
obwohl er 1092 dessen Erhebung zum alemannischen Herzog zuließ, sicher
nicht, weil er geglaubt hätte, nun an dem von seinem Vater erstrebten Ziele
zu stehen. Ihm kam es auf anderes an, und Nüchternheit war der Grund
zug seiner Politik wie seines Wesens. Suchte ein Bote ihn schonend auf die
schlimme Nachricht vorzubereiten, die er ihm zu überbringen hatte, dann
pflegte der Herzog zu sagen: „Rede nur, rede! Ich weiß ja, daß Gutes Bösem
und Böses Gutem vorangeht. Deshalb macht es mir nichts aus, ob ich erst von
Wolken und dann von Sonnenschein, oder erst von Sonnenschein und dann
von Wolken hören soll." Tu der Tat ein Wort, das, wie Otto von Freising, der
es überliefert hat, meinte, eines tapferen Mannes würdig war, der ohne
gelehrte Bildung mit natürlichem Verstand die Flüchtigkeit des Irdischen
bedachte und weder in guten Tagen unvorsichtig wurde, noch in schlechten
den Glauben an die Zukunft verlor. Der gleiche leidenschaftliche Wille zu
klarer Einsicht in die gegebenen Verhältnisse, der sich in dieser Selbstcharak
teristik ausspricht, ist es gewesen, dem das politische Lebenswerk Bertolds Tl.
Ursprung und Dauer verdankt. Er hat die Sippe aus den Bahnen der hohen
Reichspolitik zurückgelenkt und ihr in dem engeren Bezirk ihres heimischen
Ursprungs eine um so gefestigtere Stellung verschafft. Indem er den noch
siedlungsarmen Boden der Heimat erweiterte und mit neuen Herrschafts
formen durchdrang, gewann er mit dem Verzicht auf das fragw ürdige Kämt
ner Reichsamt zwar kein Herzogtum im strengen Sinne der geltenden Reichsordnung
, wohl aber ein in sich geschlossenes Machtgebiet, das so sehr von
den alten Ordnungen des Reiches abstach, wie es der Titel, den er führte, zum
Ausdruck brachte.
Dieser „Staat" der Herzöge von Zähringen, dessen Bedeutsamkeit erst
durch jüngere Forschung (Th. Mayer) erkannt worden ist, war so, wie er von
Bertold II. begründet und von seinem Sohn Konrad durchgeformt wurde,
zwar noch kein geschlossenes Territorium, sondern ein Bündel mannigfaltiger
Rechtstitel sehr verschiedenartigen Ursprungs. Aber sie alle dienten dazu,
einen zum erstenmal in seinem flächenhaften Zusammenhang gesehenen Raum
ganz bewußt mit dem gleichen Machtanspruch zu durchdringen und ihn durch
Ausschließung konkurrierender Kräfte zu einer festen Einheit zu gestalten.
Deshalb spielte die Erschließung des Schwarzwaldes dabei eine so große Rolle,
mit der, wie oben schon angedeutet, das zähringische Haus den Weg zurück
ging zum Ursprung der Bertoldsippe, um die erneut gegenwärtig werdende
Vergangenheit zur Grundlage für die Zukunft zu gewinnen. Den sicheren
Weg dazu erschloß Bertold sich durch den Friedensschluß mit dem Salier
(1098), der ihm für den Verzicht auf den unrechtmäßigen Besitz des alemannischen
Herzogsamtes nicht nur die Bestätigung des Rheinfelder Erbes einbrachte
, sondern auch den Erwerb der Reichsvogtei Zürich, also den einen
Ausgangspunkt der vom frühsalischen Königtum geschaffenen Bodensee-
Donaustrafie. Diese Verständigung bedeutete das Ausscheiden Bertolds II.
aus der Front der kirchlichen Gegner des Kaisers und brachte ihn vorüber
gehend in Gegensatz zu seinem bischöflichen Bruder, bis der junge König
Heinrich V. gegen den eigenen Vater die Fahne des Aufruhrs ergriff. Da trat
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